Demo Feminismus Protest AfD Demokratie Montagslächeln Rechtsextremismus Gesundheit Soziales Digitalisierung

Fair Share Monitor 2024: Nur die Hälfte ist nicht genug

Frauen sind in Führungsetagen und auf Chefsesseln nach wie vor unterrepräsentiert. Das gilt auch für die Zivilgesellschaft und ihre Organisationen. Co-Geschäftsführerin Daphne Heinsen erklärt, warum das bei Campact anders ist – und wie dadurch alle Mitarbeitenden profitieren.

Der geschäftführende Vorstand von Campact, hier ohne Vorständin Astrid Deilmann, von links: Christoph Bautz, Daphne Heinsen, Dr. Felix Kolb.
Die Geschäftsführung von Campact, hier ohne Astrid Deilmann, von links: Christoph Bautz, Daphne Heinsen, Dr. Felix Kolb. Foto: Sabine Vielmo für Campact

Eine kritische Schwelle ist überschritten: Erstmals arbeiten mehr als 40 Prozent Frauen in den Führungsetagen der deutschen Zivilgesellschaft, so das Ergebnis des Fair Share Monitors 2024. Um genau zu sein, liegt der Anteil bei 42 Prozent. Ein Grund zur Freude – aber definitiv kein Grund, um nicht weiterhin für Gleichberechtigung einzutreten.

Der Fair Share Monitor

Die feministische NGO „Fair Share of Women Leaders“ erhebt seit 2020 die Daten zum Verhältnis von Frauen unter den Mitarbeitenden und Führungskräften in der Zivilgesellschaft. Sie betrachtet dabei NGOs, Stiftungen, Dachverbände, Gewerkschaften, Sozialunternehmen und Wohlfahrtsverbände. Fair Share erfasst alle Personen als Frauen, deren rechtlicher Personenstand (Geschlechtseintrag) „weiblich“ ist.

Der komplette Fair Share Monitor 2024 mit alle teilnehmenden zivilgesellschaftlichen Organisationen (ZGO) und Bewertungskriterien findest Du hier.

Campact liegt im aktuellen Ranking (Datenstand: Ende 2023) der mittelgroßen NGOs in Deutschland (zwischen 100 und 999 Mitarbeiter*innen) auf Platz 14. Unsere Kampagnen-Organisation kommt auf einen Frauenanteil von 65 Prozent im Personal und 50 Prozent Frauen in der obersten Führungsetage. Aber das reicht uns nicht. 

Mehr Repräsentation für alle

Mindestens 50 Prozent auf oberster Führungsebene – das ist einfach nicht genug. Betrachtet man alle operativen Führungspositionen (das heißt Teamleitungen und geschäftsführende*r Vorständ*in) entspricht zum Zeitpunkt der Erhebung der Anteil an Frauen* 11 zu 14 (78 Prozent) und ist damit größer als der FLINTA*-Anteil im Team (65 Prozent).

2023 haben wir die Satzung für die Mitgliederversammlung geändert. Sie ist das höchste Gremium bei Campact und besteht aus gewählten Vertreter*innen aus der Belegschaft, sowie Förder*innen und berufenen Mitgliedern. Die Mitgliederversammlung ist eng in die Arbeit des Vereinsvorstands und somit auch in grundsätzliche Entscheidung eingebunden, zum Beispiel zur Verwendung von Ressourcen oder der Schaffung von neuen Planstellen.

Die Mitarbeiter*innen-Vertretung wird nun entsprechend dem Geschlechterverhältnis im Campact-Team besetzt, statt wie bislang paritätisch. Mit der neuen FLINTA*-Liste stärken wir die Repräsentation von Frauen*, Lesben, sowie Inter, Nicht-Binären, Trans und Agender* Menschen. Das lässt unseren Fair Share seit der Neuwahl von Mitarbeiter*innen-Vertreter*innen im ersten Quartal 2024 von 50 auf 56 Prozent steigen. 9 von 16 Personen sind jetzt FLINTA*s.

Was Campact tut, um noch gerechter zu werden

Damit aber nicht nur die Zahlen auf dem Papier stimmen, sondern auch alle gleichberechtigt und fair behandelt werden, hat sich Campact einige Prinzipien festgelegt. 

Unsere NGO zahlt faire Löhne, die transparent klaren Regeln folgen und für alle nachvollziehbar sind. So wollen wir dem Gender Pay Gap entgegenwirken. Unterschiede bei Gehältern sind dadurch auch kein Geheimnis und können offen angesprochen und diskutiert werden. 

Außerdem legen wir einen Fokus auf das Ausgleichen von strukturellen Ungerechtigkeiten. Bei Campact ebnen wir den Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, etwa indem wir unseren Kolleg*innen unterschiedliche Wochenarbeitszeiten ermöglichen. Dafür diskutieren wir regelmäßig Prioritäten und achten auf Teammitglieder, die pflegen, betreuen oder gesundheitlich eingeschränkt sind.

Campact unterstützt auch dabei, dass Care-Arbeit gerecht verteilt werden kann. Wenn ein Kind erkrankt oder ein Familienmitglied Pflege benötigt, kann dies dazu führen, dass Menschen in Care-Verantwortung nur eingeschränkt arbeiten können. Sollte die Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit zum Beispiel nicht so gravierend sein, dass eine ständige Betreuung erforderlich ist, haben alle Mitarbeitenden die Möglichkeit, entsprechend der Situation ihres Kindes oder pflegebedürftigen Familienangehörigen in einem angemessenen Umfang zu arbeiten.

Macht besser verteilen, Schulungen und Empowerment

In unserer jährlichen Mitarbeiter*innen-Befragung, dem Barometer, fragen wir seit zwei Jahren explizit nach Maßnahmen, damit wir Personen aus marginalisierten Gruppen erfolgreich einbinden können. Dabei kamen zum Beispiel die Wünsche auf, mehr sichere Räume zu schaffen, mehr Personen mit marginalisierten Hintergrund (auch in Führungspositionen) einzustellen, Weiterbildungsformate fortzuführen (2023 gab es drei zu den Themen Fat Acceptance und Feminismus, Ableismus und Klimagerechtigkeit und Klassismus) und Themen wie Mental Load mehr Raum zu schaffen. Das sind Impulse, mit denen wir den Themen Diversity, Equity und Inklusion bei uns einen Raum eröffnen.

Die ersten Schritte sind ganz praktische: In den letzten zwei Jahren haben FLINTA* und BiPOC von Campact an einem Programm zu den Themen Empowerment und Wellbeing im Umgang mit Diskriminierung und Mikroaggressionen am Arbeitsplatz teilgenommen. Außerdem werden alle Teamleitungen bei uns in Mental Health First Aid (MHFA) ausgebildet. Sie werden damit Ersthelfer für mentale und psychische Notfälle und können entsprechend reagieren.

Wir nehmen kritisch in den Blick, welche Verantwortung wir von oberster Leitungsebene auch an Teamleitungen abgeben können und bereiten unsere Teamleitungen intensiv auf diese Rollen vor. Das passiert zum Beispiel durch die Einführung von Fachleitungen in den Teams oder durch Weiterbildungen und Coachings. So wird mehr Verantwortung auf vielen Schultern ver- und Macht geteilt.

Rückmeldungen nicht ins Leere laufen lassen

Das Feedback der Mitarbeiter*innen findet Gehör, indem zum Beispiel die Geschäftsführer*innen regelmäßig zu offenen Gesprächsrunden (sogenannten „Kamingesprächen“) einladen. Der Betriebsrat nimmt die Geschäftsführung in die Pflicht, die Rückmeldungen aus dem Barometer zu berücksichtigen und, wenn möglich, bald umzusetzen. 

Und auch der Austausch in persona kommt nicht zu kurz. Das ist besonders wichtig für eine Organisation, in der die meisten Mitarbeitenden im Homeoffice arbeiten: Bei regelmäßig stattfindenden Teamklausuren kommen alle zusammen und begegnen sich auf Augenhöhe. Persönlich besprechen und diskutieren sich manche Themen einfach besser. So arbeitet Campact immer weiter daran, faire Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen – und damit mit gutem Beispiel für die Zivilgesellschaft voranzugehen. 

TEILEN

Autor*innen

Alle Beiträge

Auch interessant

Demo, Feminismus, Protest 3 Fragen an … ein*e Organisator*in des FLINTA*-March in Berlin Campact 10 Artikel, die 2024 geprägt haben: Unser Jahresrückblick  Feminismus, Montagslächeln Montagslächeln: Gisèle Pelicot Feminismus, Soziales Weihnachten: Warum über Marias Erfahrung mit der Geburt Jesu nicht gesprochen wird Feminismus, Menschenrechte Petition, Protest, Politik: Wie wir §218 kippen können Feminismus, Menschenrechte Menschenrechte = Frauenrechte. Oder nicht?  Demokratie, Feminismus Bagatellisierte Gewalt gegen Frauen Feminismus, Soziale Medien Es ist Sexarbeit Feminismus, Ostdeutschland, Soziales Als der Westen die Verbote brachte Feminismus, Montagslächeln Montagslächeln: Gewalt gegen Frauen nimmt zu