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Berühmte Frauen: Hört auf, Schönheitsideale zu zementieren!

Berühmte Frauen tragen Mitschuld daran, dass die Gesellschaft unrealistische oder schädigende Schönheitsideale nicht loswird – weil sie sich lieber dem System beugen, statt sich dagegen aufzulehnen. Der Kommentar dazu von Sibel Schick und zum Song "Bauch Beine Po" von Shirin David.

Die Rappering Shirin David (rechts, in Blau) gemeinsam auf der Bühne mit Pop-Schlagersängerin Helene Fischer (links, in Rot) während der ZDF - Fernsehshow "Wetten , dass...?" im November 2023.
Die Rapperin Shirin David (rechts, in Blau) gemeinsam auf der Bühne mit Pop-Schlagersängerin Helene Fischer (links, in Rot) während der ZDF - Fernsehshow "Wetten , dass...?" im November 2023. Foto: IMAGO / Future Image

Vergangenes Jahr schrieb ich an dieser Stelle: „Ein Mensch sollte und dürfte es sich niemals herausnehmen zu behaupten, dass sich mit der eigenen Schönheit zu beschäftigen un- oder antifeministisch sei. Denn die Tatsache, dass die Schönheit einen so großen Raum in unserem Leben und in unseren Köpfen einnimmt, ist ein politisches und strukturelles Problem. Deshalb dürfen nicht die Menschen, die sich schön fühlen möchten, verurteilt werden, sondern das System, das sie in erster Linie dazu bringt, sich hässlich zu fühlen.“ Heute möchte ich diese Position ergänzen: Ganz bestimmten Menschen kann man vorhalten, Schönheitsideale zu zementieren. Es sind Menschen mit großer Reichweite und nationaler und internationaler Vorbildfunktion. Was sie nämlich machen, hat Folgen für alle.

Von Fitspo und Body Positivity

Die deutsche Rapperin Shirin David veröffentlichte am 26. Juli einen neuen Track mit dem Titel „Bauch Beine Po“, in dem sie rappt: „Du willst ein’n Body? Dann musst du pushen. Bist du ein Hottie, werden sie gucken. Geh ins Gymmy, werde skinny, mach daraus eine Show. Wir sind pretty im Bikini, das ist Bauch, Beine, Po.“ Im Video sieht man David und ihre Tänzerinnen in hautenger Sportkleidung, sie imitieren Sport und Sex.

Die Lyrics und das Video bedienen einen aktuellen Körpertrend: Fitspo. Das ist, wenn man angeblich nicht dünn, sondern nur gesund und stark sein möchte. Dem Trend verdanken wir Millionen von Social-Media-Posts mit Waschbrettbäuchen und harten Pobacken. Genauso wie bei der guten alten Diätkultur dreht sich auch bei Fitspo der ganze Tag um Fragen wie Fettverbrennung und Dünnerwerden – man spricht nur anders darüber.

Megan Jayne Crabbe schreibt in ihrem Buch „Body Positivity“, dass nichts falsch daran ist, gesund leben und fitter werden zu wollen.

Es wird aber zum Problem, wenn wir glauben, dass Fitness zu einer ganz bestimmten Körperform führt. Denn dann erschaffen wir ein weiteres exklusives Körperideal, und wenn wir ihm nicht entsprechen, fühlen wir uns wie Versager. (…) Workout ist die Strafe dafür, dass unser Körper nicht dem Fitnessideal entspricht, und damit haben wir unsere Beziehung zum Sport völlig vergiftet.

Megan Jayne Crabbe in ihrem Buch „Body Positivity“

David rappt: „Das war noch nicht genug, push it, tiefer. Komm, noch zwei, gib nicht auf.“

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Was Stars machen, beeinflusst alle

Fitspo und die Essstörungen, die daraus resultieren, stehen auf der einen Seite dieser zweifelhaften Medaille, die Schönheitseingriffe auf der anderen. Ich sitze vor wenigen Jahren im Kino und schaue den Film „A Star Is Born“ mit Lady Gaga. Darin schildert die Protagonistin Ally eine Erfahrung, die Lady Gaga persönlich machte: Dass Musikproduzenten ihr Chancen verwehrten, weil sie sie nicht schön fanden. Das ist eine sehr wichtige Erzählung über den Sexismus in der Musikbranche, nur es wirkt nicht sehr glaubwürdig, wenn die entsprechende Schauspielerin vor lauter Botox und Filler im Gesicht kaum Mimik zeigen kann.

Lady Gaga ist da keine Ausnahme. Inzwischen sind Menschen auf dem Bildschirm und der Leinwand, in Serien und in Filmen, die kaum Mimik zeigen können, weil ihre Gesichtsmuskulatur von Fillern und Botox gelähmt wird, völlig gängig. Das beeinflusst die Kultur: Es galt sehr lange als schauspielerisches Talent, stark und dramatisch zu gestikulieren und eine Ausdrucksreiche Mimik zu haben – was sich jetzt wohl zu ändern scheint.

Lady Gaga ist ein Megastar. Was sie macht, beeinflusst nicht nur ihre Fans weltweit, sondern alle. Wenn sie sich auf Kosten ihres künstlerischen Könnens so viele kosmetische wie ästhetische Eingriffe machen lässt, zementiert sie damit auch toxische und ausschließende Schönheitsideale. Das vergiftet uns und unser Verhältnis zu unserem Körper, das mindert unseren Selbstwert.

Gegen Schönheitsideale einstehen: ein gesellschaftlicher Auftrag

Als Alicia Keys aufhörte sich zu schminken oder Pamela Anderson ohne Make-up zur „Fashion Week“ in Paris ging, wurde es gelobt. Es ist auch lobenswert, sich kräftezehrenden, kostspieligen und verdinglichenden Idealen zu wehren und damit es anderen, die nicht als schön gelten, leichter zu machen. Oder es einfach mal lassen zu können, wenn man mal keine Lust hat. Und genauso kritikwürdig ist es für Menschen, deren Gesicht wir täglich sehen, sich dem Komfort der Kapitulation zu begeben und den inneren und äußeren Kampf aufzugeben. Darum geht es am Ende:

Der Kampf um Freiheit ist nicht einfach, aber aufzugeben ist sehr bequem.

Aber berühmt zu sein bedeutet nicht nur Glamour, sondern auch Verantwortung. Es ist an der Zeit, dass wir Menschen mit Macht stärker zur Verantwortung ziehen.

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Autor*innen

Sibel Schick kam 1985 in Antalya, der Türkei, auf die Welt und lebt seit 2009 in Deutschland. Sie ist Kolumnistin, Autorin und Journalistin. Schick gibt den monatlichen Newsletter "Saure Zeiten" heraus, in dem sie auch Autor*innen, deren Perspektiven in der traditionellen Medienlandschaft zu kurz kommen, einen Kolumnenplatz bietet. Ihr neues Buch „Weißen Feminismus canceln. Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ erscheint am 27. September 2023 bei S. Fischer. Ihr Leseheft "Deutschland schaff’ ich ab. Ein Kartoffelgericht" erschien 2019 bei Sukultur und ihr Buch "Hallo, hört mich jemand?" veröffentlichte sie 2020 bei Edition Assemblage. Im Campact-Blog beschäftigte sie sich ein Jahr lang mit dem Thema Rassismus und Allyship, seit August 2023 schreibt sie eine Kolumne, die intersektional feministisch ist. Alle Beiträge

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