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Lobbytreffen mit Antidemokraten aus den USA

Rechtskonservative Lobbygruppen und Wahlkampfprofis trafen sich Anfang September in Berlin zu einer fragwürdigen Lobbykonferenz. Mit dabei: Die Kampagnen-Chefin der CDU und die PR-Lobbyinitiative INSM. Der CDU gelingt es offenbar nicht, eine rote Linie zwischen sich und demokratiefeindlichen Netzwerken zu ziehen.

Die US-amerikanische Heritage Foundation mit einem Stand bei einer Veranstaltung in Washington D.C., USA.
Die US-amerikanische Heritage Foundation mit einem Stand bei einer Veranstaltung in Washington D.C., USA. Foto: IMAGO / Middle East Images

Die dreitägige „Berlin Campaign Conference“ wurde von der rechtskonservativen Kampagnenagentur The Republic ausgerichtet. Die Agentur ist 2021 angetreten, um sich dem „politischen Linksdrift in Deutschland“ entgegenzustellen. Deren Gründer, Armin Petschner-Multari, war zuvor bei der Bundestagsfraktion von CDU/CSU angestellt. Petschner-Multari sagt über sich, er sei „CSU bis zum Umfallen“.

Auf der Konferenz in Berlin sollten nun gezielt „Mitte-Rechts-Kooperationen“ geschmiedet werden. Doch zu den US-Lobbygruppen, mit denen man sich austauschte, gehören solche aus dem ultra-rechten Lager der Republikaner. Einige der Partner und Gäste der Veranstaltung aus den USA sind selbst bei dortigen Republikanern umstritten. Erschreckend ist jedoch, dass auch die CDU bei der Vernetzung in diesen Kreisen mitmachte und keine rote Linie gezogen hat.

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Reaktionäre US-Lobbygruppen zu Gast im politischen Berlin

Zu den fragwürdigen Partnern der Konferenz gehörte die reaktionäre Heritage Foundation. Sie hatte zuletzt mit dem anti-demokratischen, autoritären „Project 2025“ Schlagzeilen gemacht. „Project 2025“ ist als Blaupause für eine zweite Amtszeit Trumps gedacht: Dessen Macht soll deutlich ausgeweitet werden – der Kongress dagegen geschwächt. Wichtige Behörden, zum Beispiel solche, die vor Extremwetter warnen, sollen aufgelöst werden. Die Heritage Foundation leugnet schon seit den 90er Jahren den Klimawandel. Sie war lange offiziell Teil des globalen Atlas-Network. Ob sie weiterhin dazugehört, bleibt zu munkeln, denn inzwischen werden Mitglieder auf der Webseite nicht mehr aufgeführt. Das weltweite Netzwerk verbindet neoliberale und libertäre Organisationen, die staatliche Eingriffe ablehnen und die Klimakrise leugnen.

Auch Grover Norquist von „Americans for Tax Reform“ war bei der „Berlin Campaign Conference“ als Partner dabei: Die Organisation lehnt jede Steuererhöhung aus Prinzip ab – und wird finanziert durch Superreiche, Konzerne und rechts-konservative Organisationen. Auch steht sie zum Beispiel der Tabaklobby nah.

Neben den US-amerikanischen Gästen waren auch deutsche Partner Teil der Konferenz. So zum Beispiel die arbeitgeberfinanzierte PR- und Lobbyplattform „Initiative Neue Noziale Marktwirtschaft“, kurz INSM. Ihr Geschäftsführer, Thorsten Alsleben, steht dem rechtskonservativen Flügel der CDU nahe. Er leitete vor seinem Job bei der INSM die Mittelstands- und Wirtschaftsunion der Partei. Alsleben stellte laut Konferenzprogramm eigene Lobby-Kampagnen vor.

Der Geschäftsführer der INSM Thorsten Alsleben (r.) zusammen mit CDU-Chef Friedrich Merz (m.) und Julia Klöckner (l.) auf dem CDU-Parteitag im Mai. Alsleben war auch Gast des Lobbytreffens "Berlin Campaign Conference".
Der Geschäftsführer der INSM Thorsten Alsleben (r.) zusammen mit CDU-Chef Friedrich Merz (m.) und Julia Klöckner (l.) auf dem CDU-Parteitag im Mai. Foto: INSM [CC BY-ND 2.0]

Die INSM irritierte bereits mehrmals mit fragwürdigen Kampagnen. Zuletzt warb sie in einem eigens errichteten Bürokratie-Museum unter dem Deckmantel „Bürokratieabbau“ für den Abbau von Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt. Sie war im Mai 2024 auf dem CDU-Parteitag präsent und ließ Parteichef Friedrich Merz und Julia Klöckner sinnbildlich das Lieferkettengesetz schreddern.

CDU ohne rote Linie gegenüber rechtskonservativen Lobbynetzwerken

Die Teilnehmenden, die sich auf der Berliner Konferenz mit den Gästen aus den USA vernetzen wollten, scheinen kein Problem mit einem reaktionären Demokratieverständnis, dem ungezügelten Einfluss Superreicher und ungebremster Öl- und Gasförderung zu haben. Deshalb ist besonders beachtenswert, dass ein Auftritt der CDU-Kampagnen-Chefin Christine Carboni im Programm stand. Sie ist eine der wichtigen Strateg:innen aus dem Umfeld von Parteichef Merz. An ihrer Teilnahme gab es immerhin zumindest verdeckt Kritik aus der Partei. Auch eine Führung durch die CDU-Zentrale, mit der von den Veranstaltern im Vorfeld der Konferenz wohl unabgesprochen geworben wurde, wurde wieder abgesagt.

Doch das reicht nicht, denn von Merz war keine Kritik zu hören: Der CDU-Parteichef muss sich klar von diesen fortschrittsfeindlichen und Demokratie verachtenden Netzwerken abgrenzen. Sie dürfen keinen Einfluss auf eine Partei erhalten, die den nächsten Kanzler stellen will.

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Autor*innen

Imke Dierßen ist Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitete viele Jahre bei Amnesty International als Referentin und Abteilungsleiterin. Dort hat sie gelernt, wie schwierig es für die Zivilgesellschaft sein kann, sich gegen einflussreiche Akteure aus Politik und Wirtschaft durchzusetzen. Seit 2015 ist sie politische Geschäftsführerin von LobbyControl. Für den Campact-Blog schreibt sie über Lobbyismus und politische Machtungleichgewichte. Alle Beiträge

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