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Wenn bezahlbares Wohnen für alle möglich wird

Absurde Abschlagszahlungen, astronomische Quadratmeterpreise oder merkwürdige Auflagen: Eine bezahlbare Wohnung in einem Ballungsraum zu finden grenzt mittlerweile an ein Wunder. Beispiele aus drei europäischen Städten, die dem Mietwahnsinn konstruktiv begegnen.

Der Karl-Marx-Hof im 19. Bezirk von Wien ist einer der ältesten Gemeindebauten in der Hauptstadt von Österreich.
Der Karl-Marx-Hof im 19. Bezirk von Wien ist einer der ältesten Gemeindebauten in der österreichischen Hauptstadt. Foto: IMAGO / Volker Preußer

„Früher galt: Stadtluft macht frei. Heute gilt: Stadtluft macht arm“, schreibt das Magazin „Stern“ bereits 2018. Ein Problem, das sich seitdem nicht geändert hat. Die Netto-Kaltmiete steigt überall in Deutschland seit Jahren, das Einkommen in den meisten Fällen allerdings nicht. Eine bezahlbare Mietwohnung zu finden, grenzt an eine Unmöglichkeit. Andere Städte in Europa sind da weiter. Wie lösen sie das Problem des immer mehr umkämpften Wohnungsmarktes? Wir werfen einen Blick nach Wien, Paris, und Amsterdam.

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Wien – Leben im Gemeindebau:

30-Quadratmeter-Wohnung nur mit allen Möbeln und gegen eine Abschlagszahlung von 5.000 Euro“ – „Schildkröte muss im Terrarium mit übernommen werden“ – „650 Euro für ein 15-Quadratmeter-Durchgangszimmer“! Hohe Abschläge oder absurde Auflagen und Quadratmeter-Preise gehören mittlerweile zum Standardtext in jeder Wohnungsanzeige. Dabei könnte es so einfach sein. In Wien geht Wohnen anders: Hier hält die Kommune den Wohnungsbau fest in der Hand, statt ihn in die Hände von privaten Investoren zu geben – und wenn doch, dann nur mit besonderen Auflagen. Die sogenannten „Gemeindebauten“ gibt es schon seit den 1920er-Jahren. Die Mieten sind gedeckelt und kosten in allen Bezirken gleich viel. 5,80 Euro pro Quadratmeter, dazu kommen die Betriebskosten und zehn Prozent Steuern. Es gibt keine Aufschläge, keine Maklerprovision, keine Gebühren. Über die Hälfte der Bevölkerung wohnt in Wohnungen mit gedeckelten Mieten. Das wirkt sich auf den gesamten Mietmarkt aus und drückt die Preise nach unten.

Der Gemeindebau ist aber nicht nur ein Ort zum Wohnen, sondern auch ein wichtiger Bestandteil des sozialen Gefüges Wiens, der Vielfalt und Zusammenhalt fördert. Die Gemeindebau-Anlagen sind so konzipiert, dass sie die Wohngemeinschaft in den Mittelpunkt stellen: Arbeiten, Leben, Freizeit und oft auch Einkaufen, alles nah zusammen. Gemeindebauten findet man in allen Wiener Bezirken, vom Nobel- bis zum Arbeiterbezirk. Das hat auch dazu geführt, dass es in Wien weniger soziale Brennpunkte gibt als in anderen europäischen Hauptstädten. Heute leben über 600.000 Wienerinnen und Wiener im Gemeindebau.

Paris – Wohnraum vor Miethaien retten:

Zu viel Luxus- und zu wenig Sozialbau: Ein Phänomen, welches sich auch in verschiedenen europäischen Städten beobachten lässt. Investoren oder Firmen kaufen Wohnraum auf, renovieren ihn zu Luxus-Wohnungen und bringen ihn vollkommen überteuert wieder auf den Wohnungsmarkt. Leisten kann sich das kaum einer.

Die französische Hauptstadt Paris reguliert dagegen. Sobald ein Wohngebäude auf den Markt kommt, versucht die Stadt, dieses zu kaufen, um die Wohnungen als Sozialwohnungen zu vermieten. Bis 2025 will Bürgermeisterin Anne Hilgaldo 25 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in Sozialwohnungen umwandeln. Aktuell sind es 21 Prozent. Andere Flächen werden für neue Wohnungen herangezogen. Mehr als 3,7 Millionen Quadratmeter Büroflächen standen im Jahr 2021 in Paris leer. Diese Bürowüsten will die Bürgermeisterin in Wohnanlagen umwandeln lassen.

Amsterdam – Anreize für günstige Mieten schaffen:

In Amsterdam gibt es eine besondere Situation, denn ein Großteil der Grundstücke in der niederländischen Hauptstadt ist im Besitz der Gemeinde. Sie werden an die Hausbesitzer*innen verpachtet. Und hier kommt der Clou: Wer sich verpflichtet, die Wohnungen 20 Jahre lang in einer mittleren Preisspanne zu vermieten, bekommt einen Rabatt auf die Pacht für das bebaute Grundstück. Somit ist ein Anreiz für die Hausbesitzer*innen gesetzt, die Mietpreise günstig zu halten. Diese mittlere Preisspanne liegt zwischen 737 Euro und 1027 Euro. Gleichzeitig dürfen die Vermieter*innen die Mietpreise jährlich nicht mehr als um einen Prozentpunkt über der Inflation erhöhen. Halten sie sich nicht an diese Vereinbarungen, müssen sie den Rabatt auf die Pacht zurückzahlen.


Laut einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem Titel „Keine Profite mit der Miete“ gibt es eine ganz klare Lösung bzw. Richtlinie für das Mietproblem: Der Preis fürs Wohnen sollte nicht höher sein als die Kosten, die es verursacht. Sie sehen ein Problem darin, dass mit Bestandsmieten andere Projekte der Wohnungsbesitzer oder Vermietungsgesellschaften querfinanziert werden, zum Beispiel Neubauten. Ihre Untersuchung zeigt aber, dass die Schaffung neuen Wohnraumes auch funktioniert, wenn die Mieten nicht neue Wohnprojekte mitfinanzieren müssen. Die Autor*innen führen hier als Beispiel auch „Wiener Wohnen“ an, die für die Gemeindebauten zuständig sind. Hier kümmert sich ein Tochterunternehmen um Neubauten; Bestands- und Neubauprojekte sind finanziell klar getrennt. Ein Modell, das sich die Au­to­r*in­nen zum Beispiel auch für Deutschland vorstellen können: „Es müssen andere Wege her, Modernisierung und Bestandserweiterung zu finanzieren.“

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Autor*innen

Linda Hopius hat Wissenschaftsjournalismus, Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Als freie Journalistin schreibt sie zu den Themen Umwelt und Naturschutz. Dazu arbeitet sie als Naturmentorin in der Natur- und Erlebnispädagogik und berichtet darüber auf ihrem Instagram-Kanal @lindasnaturgeschichten. Für Campact arbeitet sie seit 2024 als freie Redakteurin. Alle Beiträge

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