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Welche Parteien Frauen* besser vor Gewalt schützen wollen

Der Februar hat gerade begonnen, und die Initiative "Femizide Stoppen" meldet bereits den siebten Mord an einer Frau* in diesem Jahr. SPD, Grüne und CDU konnten sich noch knapp auf ein Gesetz zur Gewalthilfe einigen. Doch es bleibt ein Minimalkonsens. Wie die Parteien Frauen* besser schützen wollen? Inken Behrmann hat die Wahlprogramme der Parteien geprüft. 




Ein Plakat mit der Aufschrift "Man(n) tötet nicht aus Liebe". Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November demonstrierten in Erfurt rund 150 Personen vor einer Zweigstelle der Stadtverwaltung am Steinplatz.
Foto: IMAGO / Paul-Philipp Braun

Gewaltschutz- oder Gewalthilfegesetz: Was wurde beschlossen?

Gewaltschutz oder Gewalthilfe? In der aktuellen Debatte über den Schutz von Frauen* vor geschlechtsspezifischer Gewalt, beispielsweise durch (Ex-)Partner, geht es um zwei fast gleich klingende, aber unterschiedliche Gesetze: das Gewaltschutz- und das Gewalthilfegesetz. Was regeln nun also diese beiden Gesetze? 

Keine Einigung beim Gewaltschutzgesetz

Das Gewaltschutzgesetz gibt seit 2001, es regelt den „zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten“. Es ermöglicht Gerichten, Schutzmaßnahmen anzuordnen: etwa dem Täter zu verbieten, in der gemeinsamen Wohnung zu bleiben, oder jeglichen Kontakt zur betroffenen Person aufzunehmen. Das Gewaltschutzgesetz sollte novelliert werden, um unter anderem verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter oder die Verordnung einer elektronischen Fußfessel für Täter mit Annäherungsverbot einzuführen. Bei diesem Gesetzesvorschlag von Nancy Faeser konnten sich die Grünen und die SPD nicht mit der Union einigen

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Einigung beim Gewalthilfegesetz

Das Gewalthilfegesetz soll als neues Gesetz das bestehende Gewaltschutzgesetz ergänzen und konzentriert sich auf konkrete Hilfe für Betroffene. Es verankert einen Rechtsanspruch auf einen kostenfreien Platz in einem Frauenhaus und sichert die Kofinanzierung dieser Plätze durch den Bundeshaushalt. Bislang lag die Finanzierung bei Ländern und Kommunen, die oft nicht genug Mittel bereitstellten. Die Konsequenz: Derzeit fehlen rund 14.000 Schutzplätze. Frauen* ohne Sozialhilfe müssen ihren Aufenthalt oft selbst finanzieren, was bei gemeinsamen Konten mit gewalttätigen Partnern die Suche nach einem Platz erschwert.

Bis zum Ende der Ampel-Regierung scheiterte das Vorhaben des Gewalthilfegesetzes am Bundesfinanzminister a.D. Christian Lindner (FDP), der die nötigen Haushaltsmittel für das Gesetz nicht zur Verfügung stellen wollte. Schließlich einigten sich Grüne und SPD mit der Union: Von 2027 bis 2036 stellt der Bund den Ländern 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung, um genug Plätze in Frauenhäusern zu schaffen. Ab 2032 – zwei Jahre später als von Grünen und SPD vorgeschlagen – erhalten betroffene Frauen dann einen Rechtsanspruch auf einen Schutzplatz und Beratung. Das ist ein wichtiger Schritt, um Frauen auf dem Weg aus gewalttätigen Partnerschaften zu unterstützen.

Nur Cis-Frauen werden geschützt

Die kurzfristige Einigung mit der Union kam jedoch zu einem herben Preis. Während das Gesetz ursprünglich alle von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffenen Menschen schützen sollte, verengte die Union die Betroffenen auf Cis-Frauen. Die Konsequenz: Transfrauen, inter- und nicht-binäre Personen werden von dem Schutzanspruch im Gesetz nicht erfasst. Das ist bitter, weil genau sie besonders häufig von Gewalt betroffen sind. Die Union macht hier billigen Wahlkampf gegen „Gender-Politik“ – auf Kosten von nicht-binären Betroffenen von Gewalt, für die die Gesetzeslage nun unklar ist. 

Nicht adressierte Täter-Arbeit

Das Gewalthilfegesetz schafft mit der Kofinanzierung von Frauenhäusern durch den Bundeshaushalt und dem Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung einen realpolitischen Meilenstein, für den Betroffene jahrelang gekämpft haben. Was dabei jedoch zu kurz kommt, ist der Umgang mit Tätern. Denn auch klar ist: Frauenhäuser können nur temporären Schutz bieten – viele gewalttätige Männer aber sind Wiederholungstäter in mehreren Partnerschaften. Auch vor Femiziden waren Täter häufig schon ihrer Partnerin oder Ex-Partnerin gegenüber gewalttätig. 

Der Schlüssel zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen liegt also nicht bei den Betroffenen, sondern bei Männern. Langfristig kann nur Täterarbeit helfen, um die Gefahr von Femiziden zu vermindern und Frauen* vor Partnerschaftsgewalt zu schützen. Solche Maßnahmen wären im Gewaltschutzgesetz zu finden gewesen, das die CDU jedoch nicht mittragen wollte.

Wie wollen die Parteien Frauen* vor Gewalt schützen?

Es bleibt also noch vieles zu tun – und beim Blick in die Wahlprogramme der Parteien offenbaren sich deutliche Unterschiede. Die CDU will nur Cis-Frauen vor Gewalt schützen und vor allem auf das Strafrecht gegen Täter zurückgreifen. Sie setzt auf Abschreckung und stellt dabei Taten wie Massenvergewaltigungen besonders in den Vordergrund. Die Rechtsanwältin Christina Clemm hält in einem taz-Interview den Rückgriff auf das Strafrecht jedoch für keine wirksame Maßnahme. Laut Clemm gibt es bereits hohe Strafmaße, die häufig nicht ausgeschöpft werden. Wichtiger wären die Täterarbeit und schnellere Verfahren. 

Anti-Gewalt-Trainings für Täter, Ausweitung der Präventionsarbeit und Schutz besonders vulnerabler Gruppen

Hier setzen SPD und Grüne an, die mit unterschiedlicher Akzentuierung jeweils breite Maßnahmenpakete vorlegen. Sie umfassen Strafmaßnahmen genauso wie Anti-Gewalt-Trainings für Täter, Ausweitung der Präventionsarbeit und Schutz besonders vulnerabler Gruppen. Diese Arbeit mit Tätern ist laut der Rechtsanwältin Clemm zentral. Täter müssen in Gesprächen und Gruppentherapien zur Reflektion ihres Handelns gebracht werden, um es verändern zu können. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit hat hier Erfahrungen, Schulungsprogramme und gute Erfolge zu verzeichnen.

Partnerschaftsgewalt in Sorgerechtsverfahren berücksichtigen

SPD, Grüne und Linke fordern darüber hinaus, dass Partnerschaftsgewalt verpflichtend in Sorgerechtsverfahren berücksichtigt werden muss. Besonders wichtig sind hier einerseits die Maßnahmen, die verhindern, dass betroffene Frauen* nach einer Trennung über das Umgangsrecht des Ex-Partners mit den Kindern weiter unter dessen Kontrolle gezwungen werden. Auch die von den Grünen geforderte Schulung von Justiz- und Polizeibeamt:innen spielt eine wichtige Rolle. Denn nur so können Vernehmungsbeamt:innen bessere Ermittlungsarbeit machen und Richert:innen besser urteilen. 

Während SPD, Grüne und Linke breite Maßnahmenpakete fordern, sieht es bei der FDP mau aus. Die Liberalen schlagen lediglich eine digitalisierte Übersicht von Frauenhausplätzen vor. Auch das BSW setzt auf präventive Täterarbeit. Es will jedoch nicht-binäre Betroffene von Hilfsangeboten ausschließen, indem es das von der Ampel eingeführte Selbstbestimmungsrecht von Trans*- und nicht-binären Menschen abschaffen will. 

Grüne, SPD, Linke: Wahlprogramme für den Schutz Betroffener

Wer bei der Bundestagswahl für den Schutz von allen Betroffenen geschlechtsbezogener Gewalt stimmen will, ist im progressiven Parteienspektrum gut aufgehoben – am konkretesten ist hier das Wahlprogramm der Grünen. Schlussendlich wird nach der Bundestagswahl aber auch die Frage entscheidend sein, welche Partei das Thema wie stark gewichtet und gut verhandelt. Denn eine Regierung ohne die Union ist derzeit kaum denkbar. Das bedeutet, dass jede der progressiven Parteien ihre Forderung mit einer mäßig motivierten Union verhandeln muss. Lies hier mehr über die konkreten Positionen.

Bundestagswahlkampf: Was die Parteien vorschlagen

Keine Einigung auf das Gewaltschutzgesetz: Das liegt auch daran, dass die Parteien unterschiedlich mit Tätern umgehen wollen. Um herauszufinden, was die Parteien in diesem Bereich zukünftig vorhaben, lohnt sich ein detaillierter Blick in die Wahlprogramme.

Die Union verortet die Arbeit mit Tätern besonders im Strafrecht: Sie fordert den Einsatz von elektronischen Fußfesseln, um Annäherungsverbote gegen Täter geschlechtsbezogener Gewalt durchzusetzen und will „Sicherheitskonzepte“ (S. 37) entwickeln – unklar ist jedoch, in welchem Rahmen und was damit gemeint ist. Zudem will sie das Strafmaß für Gruppenvergewaltigungen erhöhen. Eine konkrete Anpassung des Gewaltschutzgesetzes und präventive Maßnahmen finden sich in ihrem Programm nicht.

Die SPD fordert ein ganzes Sortiment an Maßnahmen: Unter anderem eine Novellierung des Gewaltschutzgesetzes, um „elektronische Fußfesseln, verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter und Aufenthaltsverbote sowie Hausarreste“ einzuführen, die eine „engmaschigere Überwachung in Gefahrensituationen“ ermöglichen sollen. Daneben sollen auch Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Bundesländern eingerichtet werden, um effektiver in der Strafverfolgung vorzugehen. Darüber fordert die SPD, die Istanbul-Konvention umzusetzen, Partnerschaftsgewalt in Sorge- und Umgangsverfahren zu berücksichtigten und geflüchtete Frauen durch Erleichterung von Wohnauflagen unabhängiger von gewalttätigen Partnern zu machen (S. 44).

Die Grünen wollen Täterarbeit und Präventionsmaßnahmen ausbauen. Sie fordern, dass Sorge- und Umgangsverfahren Partnerschaftsgewalt verpflichtend berücksichtigen. Außerdem soll es umfassende Schulungen für Justiz sowie Polizei geben. Sie unterstützen darüber hinaus den Einsatz der elektronischen Fußfessel zur besseren Kontrolle von gerichtlichen Annäherungsverboten sowie im Strafrecht die Einführung strafverschärfender Umstände beim Einsatz von K.O.-Tropfen bei sexuellen Übergriffen. Die Grünen fordern zudem eine qualifizierte medizinische Notfallversorgung für Opfer von Vergewaltigungen, inklusive anonymer Spurensicherung in Krankenhäusern und der „Pille danach“. 

Frauen* mit Behinderung und geflüchtete Frauen* sollen besonders geschützt werden, da sie besonders häufig von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind. Unterkünfte, in denen diese Frauen leben, müssen daher „entsprechende Schutzkonzepte verpflichtend etablieren“. Zudem sollen Frauen*, deren Aufenthaltstitel von dem ihres gewalttätigen Partners abhängt, einen eigenständigen Aufenthaltstitel bekommen (Kapitel 3, S. 14).

Die Linke fordert die 2011 vom Europarat beschlossene Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sehr weitreichende Schutzmaßnahmen enthält. Sie fordert, dass eine „Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention ihre Arbeit aufnehmen [soll] und die Gesamtstrategie zur Bekämpfung und Prävention von Gewalt gegen Frauen umgesetzt“ wird. Auch die Linke tritt dafür ein, dass im Sorge- und Umgangsrecht „Partnerschaftsgewalt als Kindeswohlgefährdung anerkannt wird“ und so der Schutz von Frauen* mit gemeinsamen Kindern mit einem Täter gewährleistet werden kann. Zudem will sie das Arbeitsschutzgesetz um die Aspekte „Gewalt und sexuelle Belästigung“ ergänzen, um Betroffene auch am Arbeitsplatz besser zu schützen.

Die FDP hält ihre Vorschläge sehr kurz: „Zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt gegen Frauen möchten wir, dass Länder und Kommunen Frauenhausplätze bedarfsgerecht ausfinanzieren und dass durch eine bundesweite Online-Plattform verfügbare Frauenhausplätze in Echtzeit angezeigt werden.“ (S. 28) Zur Täterarbeit findet sich in ihrem Programm nichts.

Neben den Bereits verabschiedeten Finanzierungsmaßnahmen im Gewalthilfegesetz sieht auch das BSW „Maßnahmen der Gewaltprävention ein weiteres wichtiges Handlungsfeld“: „Information über und die Sensibilisierung zum Gewaltschutz fester Bestandteil im Bildungscurriculum sein – in Schulen und Hochschulen. Des Weiteren sind Angebote im Bereich Täterarbeit und Anti-Aggressionstrainings auszubauen“, schreibt das BSW im Wahlprogramm. Darüber hinaus stellt es jedoch auch das von der Ampel beschlossene Selbstbestimmungsrecht in Frage und will verhindern, dass Trans*frauen beispielsweise im Sport Zugang zu Frauenumkleiden erhalten (S. 33/34) – und negiert somit auch den Zugang zu Hilfsangeboten für Betroffene.

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Autor*innen

Inken Behrmann ist für Klimaschutz und Feminismus unterwegs. Nachdem sie als Campaignerin bei Campact und in der Klimabewegung Kampagnen für Klimaschutz organisiert hat, promoviert sie aktuell an der Universität Bremen. Für den Campact-Blog schreibt sie Texte gegen das Patriarchat. Alle Beiträge

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