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“There are only two genders: male and female”

Der Umgang mit Minderheiten ist ein Gradmesser für den Zustand einer Demokratie. Trumps Kampf gegen Diversität und Geschlechtervielfalt steht deshalb exemplarisch für den Niedergang des politischen Systems der USA.

Aktivisten für Transgender-Rechte protestieren 2018 (in Trumps erster Amtszeit als Präsident) für die Rechte von LGBTQ- und trans Personen.
Aktivist*innen für Transgender-Rechte vor dem Weißen Haus in Washington. Foto: IMAGO / UPI Photo

US-Präsident Donald Trump greift gerne durch – und das politische System der USA stellt ihm dafür das perfekte Werkzeug bereit. „Executive Orders“ können verbindliche Anordnungen für Regierungsbehörden enthalten oder bestehende Gesetze weiterentwickeln. Das Besondere: Die präsidiale Dekrete müssen nicht durch den US-Kongress. Sie können zwar im Nachhinein von Richter*innen einkassiert werden, sind bis dahin aber gültig. 

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Trump regiert durch

Jeder Präsident bringt zu Beginn seiner Amtszeit Dekrete auf den Weg. Aber noch niemand hat mit diesem Instrument so viel Angst und Schrecken verbreitet wie Trump. Das spüren in den USA derzeit Millionen Menschen: Migrant*innen, die das Land verlassen müssen. Frauen, denen Trump den Schwangerschaftsabbruch erschwert. Und die queere Community, auf die es der Präsident ebenfalls abgesehen hat. 

So wie Bethany G. (Name auf Wunsch von der Redaktion geändert). Sie lebt mit ihrer Frau und dem gemeinsamen zehnjährigen Sohn außerhalb von Boston. „Es ist unmöglich, die laufenden Maßnahmen nicht als Terror zu betrachten“, sagt sie.

Die Geschlechterfrage

Bereits in seiner Rede zur Amtseinführung stellte Trump klar, dass es für ihn nur zwei Geschlechter gibt: „There are only two genders: male and female“. Kurz darauf goss er diese Worte in Dekrete. Er wies seine Behörden an, nur noch das männliche und das weibliche Geschlecht anzuerkennen – und zwar auf Basis des bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts. Auch dürfen sie keine Reisepässe mit der geschlechtsneutralen Angabe „X“ mehr ausstellen. Diese Option hatte sein Vorgänger Joe Biden eingeführt. 

Bethany erzählt von Schulbezirken, die die Verwendung von gewählten Namen nicht mehr zulassen und es melden, wenn Kinder darum bitten, ein bestimmtes Pronomens zu verwenden. „Diese Maßnahmen sollen diejenigen verletzen und schädigen, die ohnehin schon sehr verletzlich sind“, sagt sie.

Bedrohte weiße Männer

Von der Website des Weißen Hauses ließ Trump die LGBTQ-Inhalte entfernen. Anschließend strich er die landesweiten Diversitätsprogramme in US-Bundesbehörden. Die sollen eigentlich Chancengleichheit für alle Menschen unabhängig von Alter, sexueller Orientierung, Geschlecht oder Ethnie sicherstellen. Er schickte alle DEI-Beauftragten – DEI steht für Diversity, Equity & Inclusion – nach Hause und ordnete an, ihre Stellen abzuschaffen. In Trumps Logik sind die Programme nämlich unfair, denn sie bedrohen weiße Menschen (sprich, in seinen Augen: vor allem weiße Männer).

Trumps Trans-Hass

Besonders hart trifft Trumps queerfeindlicher Hass trans Menschen. Sein Zwei-Geschlechter-Dekret ist ein tiefer Eingriff in ihr Leben und ihre Selbstbestimmung. Künftig gilt nur noch das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht – auch für Menschen, die nach geschlechtsangleichenden Operationen die körperlichen Merkmale an ihre Geschlechtsidentität haben angleichen lassen. Sie müssen Pässe, Visa und andere Dokumente ändern und ihr altes, abgelegtes Geschlecht eintragen lassen.

Ebenfalls per Dekret will der Präsident trans Menschen vom Dienst in den US-Streitkräften ausschließen, trans Frauen sowie Mädchen nicht mehr zum Frauensport an Schulen, Hochschulen und bei den Olympischen Spielen 2028 zulassen und Bundesgelder für geschlechtsangleichende Behandlungen bei Minderjährigen streichen. 

Und dann sind da noch die kleinen Gemeinheiten: Das US-Außenministerium etwas spricht in seinen Reisehinweisen nur noch „LGB“- und nicht mehr von „LGBTQI+“-Reisenden, schließt also trans, queere und intersexuellen Personen explizit aus. Genauso die Nationalparkbehörde – sie hat alle Verweise auf trans Personen von ihrer Website für das Stonewall National Monument entfernt. Das erinnert an den Aufstand vor dem Stonewall Inn in New York im Jahr 1969, der von trans Frauen angeführt wurde.

Woher kommt der Hass?

Auf politischer Ebene lassen sich Trumps Aktionen wahrscheinlich damit erklären, dass die USA ein ideologisch tief gespaltenes Land sind – und Trumps queer- und transfeindliche Dekrete bei einem Großteil seiner Wählerschaft auf große Zustimmung stoßen. Er bedient mit dem Thema ein breites Publikum; es kommt nicht nur in evangelikalen Kreisen und konservativen Bundesstaaten gut an, sondern resoniert generell bei vielen religiös und konservativ eingestellten Menschen. 

Hinzu kommt die persönliche Komponente: Trump ist ein durch und durch sexistischer, misogyner, patriarchalisch denkender und in heteronormativen Strukturen verhafteter Mensch. Alles, was davon abweicht oder nicht in dieses Schema passt, ist ihm verhasst – und wird per Dekret aus dem Weg geräumt.

„Wir alle planen, was in Zukunft passieren könnte und wie wir jetzt reagieren können“, erzählt Bethany. Sie und ihre Frau haben beschlossen, ihre Familie rechtlich abzusichern für den Fall, dass die Regierung die gleichgeschlechtliche Ehe wieder aufhebt. Dafür wird ihre Frau den gemeinsamen Sohn nun legal adoptieren. „Wir haben das Gefühl, dass wir alles tun müssen, damit unser Kind sicher ist“, sagt Bethany.

Der Unmut wächst

So einschneidend die Dekrete und verbalen Ausfälle auch sind, die großen Massenproteste bleiben bislang aus. Nach Wochen der Schockstarre gingen Anfang April erstmals landesweit Menschen auf die Straße – der Protest richtete sich jedoch nicht explizit gegen seine queer- und transfeindliche Politik.

Doch er ist da, der Widerstand. Bethany berichtet von Netzwerken, die trans und nicht-binäre Menschen beim Zugang zu geschlechtsspezifischer Betreuung unterstützen. Von „Drag Queen Story Hours“, in denen Drag Queens Kindern Bücher vorlesen. „Das gibt mir Hoffnung. Sonst würde ich in der Angstspirale ertrinken.“

Andere gehen richterlich gegen die präsidialen Erlasse vor. Bezirksrichterin Ana C. Reyes stellt sich gegen den Plan, trans Personen aus dem Militär auszuschließen. Bundesrichter Royce Lamberth verhinderte, dass inhaftierte trans Frauen in Männergefängnisse verlegt werden. Und mehrere Bundesstaaten klagen gegen den Finanzierungsstopp der medizinischen Versorgung von trans Jugendlichen.

WorldPride vor Trumps Tür

Andere wie Mariann Budde nutzen ihr Amt und die damit verbundene Bühne. Die Bischöfin appelierte im Gottesdient zur Amtseinführung an das Mitgefühl des Präsidenten: „There are gay, lesbian and transgender children in both Democratic, Republican and independent families who fear for their lives.“ 

Spannend wird es im Mai und Juni 2025. Dann findet in Washington die Veranstaltungsreihe WorldPride statt. Neben Demos, Konzerten und einem Sportfest wird es auch eine Menschenrechtskonferenz geben. Zumindest hier wird Donald Trump mit seinen Dekreten wenig ausrichten können – und der Widerstand gegen seine queer- und transfeindliche Agenda nimmt hoffentlich weiter Fahrt auf.

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Autor*innen

Henrik Düker ist Politikwissenschaftler und Soziologe. Bei Campact arbeitet er als Redakteur, im Blog beschäftigt er sich in seiner Kolumne vor allem mit LGBTQIA*-Themen. Alle Beiträge

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