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Dass es gerade eher schlecht aussieht mit der allgemeinen Weltlage, erkenne ich daran, dass die Serie „Law & Order“ für mich fast ein Sehnsuchtswort geworden ist. Etwas mehr Recht und Ordnung, bitte! Hallo, Sie da hinten! Ja, genau Sie, mit dem dunklen Anzug, der schwarzen Brille und dem CSU-Parteibuch in der Hand – bitte auch Sie an die Regeln halten! Und Sie da, der ältere Herr mit dem leichten Orangestich, haben Sie die Gesetze überhaupt mal gelesen? Und… oh, nach der Einhaltung des Völkerrechts hätte ich lieber gar nicht schauen sollen. Da sieht es ganz finster aus.

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Schön, dass Du hier bist! Campact e.V. ist eine Kampagnen-Organisation, mit der sich über 3,5 Millionen Menschen für progressive Politik einsetzen. Im Campact-Blog schreiben das Team und ausgezeichnete und versierte Gast-Autor*innen über Hintergründe und Einsichten zu progressiver Politik.

König Trump und Möchtegern-König Dobrindt

Weltweit steht der Rechtsstaat unter Druck. In den USA haben am Wochenende landesweit Menschen mit der Parole „No Kings“ protestiert: „Keine Könige“. Und vor allem kein Alleinherrscher Trump! Aber auch in Deutschland sind in den letzten Wochen Dinge passiert, die ich (vielleicht naiv?) für nicht denkbar gehalten hatte. Damit die Bundesregierung wenigstens irgendein Wahlversprechen (eigentlich eher eine Wahldrohung) einhält, wurde die Bundespolizei angewiesen, Asylsuchende an den Grenzen zurückzuweisen. Dass das nicht nur grausam ist, sondern auch EU-Recht verletzt, war vorher bekannt. Vorhersehbar hat daher das Berliner Verwaltungsgericht vor rund zwei Wochen geurteilt: Die Zurückweisungen sind rechtswidrig. Das Urteil erfolgte am Beispiel dreier Somalier*innen, die Begründung ist aber grundsätzlicher Natur.

Im Rechtsstaat müsste nun folgendes passieren: Die Exekutive erkennt das Urteil der Judikative an und setzt es um. (Besonders anständige Menschen entschuldigen sich vielleicht auch noch für ihren Fehler.) Stattdessen geschah folgendes: Erstens kündigte Innenminister Dobrindt an, mit den Zurückweisungen trotzdem fortzufahren. In Zeiten, in denen weltweit und auch in Deutschland der Autoritarismus aufsteigt, ist das schon kein Spiel mit dem Feuer mehr, sondern Brandstifterei. Mit den Protestierenden in den USA müssen wir rufen: No Kings! Gesetze gelten auch für den Innenminister!

SPD-Fraktionschef Mathias Miersch verhält sich angemessener, wenn er sagt: „Pauschale Rückweisungen wird es aus meiner Sicht nicht mehr geben können, weil die Gerichte das stoppen werden“. An der Begründung muss er allerdings noch arbeiten: Pauschale Zurückweisungen darf es nicht geben, weil sie geltendes Recht verletzen (das wiederum in demokratischen Aushandlungsprozessen entstanden ist). Dass Gerichte weitere Zurückweisungen stoppen würden, ist nur die Folge daraus.

Hass und Hetze gegen die, die den Rechtsstaat verteidigen

Bei der Diffamierung der Richter*innen ist es nicht geblieben. In der zweiten Welle der Schmutzkampagne werden nun diejenigen angegriffen, die dem Recht zur Durchsetzung verholfen haben: Die Richter*innen, die Kläger*innen und ihre Anwältin und die zivilgesellschaftliche Organisation Pro Asyl, die die Klage unterstützte. Sie sind Opfer diffamierender Hetze durch das rechte Medienportal „Nius“ und die BILD-Zeitung, aber auch im „Focus“, in den sozialen Medien und durch Politiker der CDU/CSU.

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, unterstellte Pro Asyl in der BILD-Zeitung ohne jegliche Evidenz sogar Straftaten. Skandalisiert wurde auch, dass die NGO die Klage der drei Somalier*innen unterstützt hatte. Aber wer verlangt, dass völlig erschöpfte, obdachlose junge Geflüchtete den Rechtsweg ganz allein betreten, ohne Sprachkenntnisse, Wissen um das deutsche Justizsystem, Geld oder Kontakte – der will in Wahrheit verhindern, dass sie überhaupt Zugang zum Recht haben. Es wirkt, als würde ihnen gesagt: Sie sollen doch bitte ohne Gegenwehr verschwinden, aus Deutschland oder auch vom Erdboden.

Auch ein Foto und der Namen der Rechtsanwältin wurden veröffentlicht, die seitdem Hassrede im Internet ausgesetzt ist. „Nius“ hatte bereits im letzten Jahr den Namen einer Anwältin veröffentlicht und einen rechten Mob gegen sie aufgehetzt. Sie musste unter Polizeischutz gestellt werden. Es ist unmittelbar für Anwält*innen und mittelbar für die Demokratie eine Gefahr, wenn Menschen bedroht werden, die ihren rechtsstaatlichen Job machen. Wir müssen in jedem Einzelfall klar machen: Das überschreitet eine rote Linie.

Deutschland schweigt zu Gaza

Dobrindt, als Innenminister eigentlich für die Verteidigung des Rechtsstaates zuständig, hat sich bisher weder vor die angegriffenen Richter*innen gestellt, noch die Zivilgesellschaft oder die Anwältin verteidigt. Immerhin das Justizministerium verurteilte die Angriffe.

Vielleicht hätte ich mich nicht wundern sollen. Im Umgang mit Gaza hat Deutschland den Rechtsbruch geübt. Waffen wurden noch exportiert, als die Hinweise auf Kriegsverbrechen an Zivilist*innen sich bereits häuften. Das ist nach nationalem und internationalem Recht illegal. Die Bundesregierung weigert sich bis heute, den Export zu stoppen oder israelische Kriegsverbrechen auch nur klar zu benennen. Die unbestrittene historische Verantwortung Deutschlands, auch der Schock über die Verbrechen des 7. Oktober können die Bundesregierung nicht davon entbinden, Fakten zur Kenntnis zu nehmen und nationales und internationales Recht einzuhalten. Gaza gilt als „Friedhof des Völkerrechts“. Die alte und neue Bundesregierung haben daran mitgewirkt.

Das ist die Stelle im Text, wo normalerweise ein Hoffnung gebender Hinweis stehen sollte, wie wir alle die Situation gemeinsam zum Besseren wenden können. Und in der Tat, noch haben wir in Deutschland keine Verhältnisse wie in den USA. Damit das so bleibt, braucht es nicht nur, aber auch, Solidarität mit den Betroffenen der Schmutzkampagne. Politiker*innen, die den Rechtsstaat missachten, müssen auch unseren sofortigen Unmut spüren. No Kings anywhere!

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Autor*innen

Lena Rohrbach ist Referentin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter und Rüstungsexportkontrolle bei Amnesty International. Sie hat als Campaignerin für Campact und im Journalismus gearbeitet und war Sprecherin der Piratenpartei. Lena hat Philosophie, Kulturwissenschaft und Geschichte in Berlin und International Human Rights Law an der University of Nottingham studiert. Im Campact-Blog schreibt sie als Gast-Autorin über Menschenrechte. Alle Beiträge

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