Agrar Klimakrise
Agrarwende in Deutschland: Abgucken erlaubt!
Bauernproteste, schwache Ernte und verhärtete Fronten. Mit den Auseinandersetzungen in und um die Landwirtschaft hat sich Deutschland in jüngster Zeit wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert – für Beispiele für eine effektive Agrarwende lohnt der Blick auf unseren Nachbarn Dänemark.
Die Folgen der Klimakrise treffen die Landwirtschaft mit voller Wucht – und das nicht erst seit diesem Jahr. Unwetter, feuchter Frühsommer, Pilzbefall, Hitzewelle. All das führte zu einer schwachen Ernte. Der deutsche Bauernverband schreibt dazu: „Die stark unterdurchschnittliche Getreideernte, die sogar unterhalb der 40-Millionen-Tonnen-Marke liegt, zeigt einmal mehr die deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels (…).“ Was unerwähnt bleibt: Statt in Sachen Klima- und Umweltanforderungen mit der Ampel-Regierung Lösungen zu suchen und die Agrarwende in den Fokus zu nehmen, stehen die Landwirt:innen seit Beginn dieses Jahres mit ihr auf Kriegsfuß.
Damals protestierten die deutschen Bäuer:innen Seite an Seite mit Landwirt:innen aus europäischen Nachbarländern gegen die Streichung der Agrardieselsubvention oder eben Naturschutzverordnungen, die sie doch eigentlich gegen die Folgen der Klimakrise wappnen sollten. Und sie blieben stumm, als Rechtsextreme diese Proteste in Teilen übernahmen und für den eigenen politischen Vorteil instrumentalisierten. Regierung und Landwirtschaft scheinen gespaltener denn je, das ist fatal für das gesellschaftliche Klima, für die Lösung der Klimakrise und für das Überleben der Bäuer:innen selbst. Wie es anders geht? Dänemark zeigt es.
Wir brauchen die Agrarwende als zentralen Klimaschutz-Baustein
Einerseits ist die Landwirtschaft in besonderem Maße von den Folgen der Klimakrise betroffen, wie wir Ende August in Mecklenburg-Vorpommern sehen können. Dort wird der heißeste Tag des Jahres erwartet. Andererseits müssen im Agrarsektor die CO2-Emissionen gesenkt werden, um die Klimaziele zu erreichen. Rund acht Prozent der deutschen Gesamtemissionen stammen aus dem Landwirtschaftssektor, wovon die Mehrheit davon Methan-Emissionen aus der Tierhaltung sind. Die Lage selbst scheint im Landwirtschaftsministerium erkannt worden zu sein. Gerade erst sagte der zuständige Minister Cem Özdemir (Grüne): „Die Klimakrise erhöht die Häufigkeit und Dauer von Extremwetterereignissen, sie erschwert die Erzeugung und gefährdet zunehmend Ernten.“ Daraus folge: „Klimaschutz ist auch Schutz unserer Ernten.“
Die Erkenntnis ist richtig und was die anvisierte Treibhausgasreduktion angeht, ist die Landwirtschaft bislang auf einem guten Weg. Aber erstens umfasst der Wert nicht jene Emissionen, die die Landwirtschaft verursacht, sondern anderen Sektoren zugerechnet werden. Und zweitens geht es bei der Agrarwende nicht nur um Emissionsreduktion. Die Landwirtschaft muss resilient gegen die Folgen der Klimakrise gemacht werden. Hitzewellen, Dürre, Sturzfluten – sie werden nachweislich zunehmen und die Ernten gefährden.
Umstellung auf Bio unausweichlich
Anstatt sich also auf dem Erreichen von Emissionsgrenzen auszuruhen, braucht es dafür ganzheitliche Ansätze, so wie die ökologische Landwirtschaft. Doch hier scheint Özdemir lieber weniger darüber reden zu wollen, weil die Zahlen besorgniserregend sind. Der Anteil der Ökobetriebe ist seit 2021 um gerade einmal 0,4 Prozent gewachsen. Das Ziel von „30 Prozent Bio bis 2030“ scheint die Regierung krachend zu verfehlen – und damit auch die Resilienzfähigkeit durch eine regenerative Landwirtschaft.
Dabei ist dieser Ansatz unausweichlich. Er senkt die Emissionen, verbessert die Wasserqualität, stärkt die Ertragsresilienz bei Starkwetterereignissen und ermöglicht dabei eine Gewinnsteigerung von bis zu 60 Prozent gegenüber der konventionellen Landwirtschaft. Was die Agrartransformation nicht braucht? Die zunehmende Entfremdung zwischen Bäuer:innen und Politik. Denn die Landwirtschaft ist ein träger Sektor, in dem Veränderungen mehr Willen und Zeit erfordern als anderswo. Dafür exemplarisch: In Verkehr-, Wärme-, Energie- und Industriesektor gibt es inzwischen CO2-Abgaben, in der Landwirtschaft nicht. Eine solche Abgabe wurde jüngst erfolgreich und im Einvernehmen mit Bäuer:innen, Umweltverbänden und Politik in Dänemark beschlossen.
Was sich Deutschland von Dänemark abschauen kann
Die Herausforderungen für unseren nördlichen Nachbarn sind enorm. Mehr als 60 Prozent der Fläche Dänemarks wird für die Landwirtschaft genutzt. 35 Prozent der nationalen Emissionen kommen aus dem Agrarsektor. Über Jahrzehnte setzte das Land auf die Massentierhaltung, was Dänemark zu einem der größten Schweinefleischexporteure der Welt gemacht hat. Hier die Agrarwende einzuleiten, birgt große soziale Spannungen, denn um wettbewerbsfähig zu bleiben, dürfen die Produktionskosten nicht durch die Decke gehen.
Trotzdem hat sich Dänemark darauf verständigt, als erstes Land weltweit eine CO2-Besteuerung im Agrarsektor einzuführen und 15 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Wälder, wilde Weiden und Agroforstsysteme umzuwandeln. Was in Deutschland massive Proteste ausgelöst hätte, wurde in Dänemark durch die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure erreicht.
Wie schon bei der Wärmewende setzt Dänemark wieder einmal einen Meilenstein. So heizen nur noch 20 Prozent der Menschen in Dänemark mit Öl oder Gas, in Deutschland sind es 75 Prozent. Nun setzt das Land auch in der Agrarpolitik neue Maßstäbe. Ich stelle drei zentrale Erkenntnisse über das was und das wie zukunftsgerichteter Agrarpolitik vor, die Deutschland sich von Dänemark abschauen kann.
1. Klimaschutz breit gefächert in der Landwirtschaft implementieren
Die vorgestellte CO2-Besteuerung richtet sich in erster Linie an die Schweinemast- und Milchbetriebe, die für einen besonders hohen Emissionsausstoß durch Methangas verantwortlich sind. Neben der Produktion von tierischen Produkten werden auch landwirtschaftliche Flächen beim Klimaschutz mitbedacht.
140.000 Hektar kohlenstoffreicher Tieflandböden werden stillgelegt, 250.000 Hektar Wald neu angelegt. Auf diese Weise können die oben genannten 15 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Wälder, wilde Weiden und Agroforstsysteme umgewandelt werden. Darüber hinaus sind auch die Reduktion der Stickstoffemissionen Teil des Plans. Insgesamt werden die breit angelegten Maßnahmen ein effektiver Baustein sein, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.
2. Einschränkungen, Investitionen und Soziales zusammendenken
Bei der Implementation der Maßnahmen zentral: Die für effektive Transformationskonzepte typische Kombination aus Einschränkungen und Investitionen. Zwar zahlen die Betriebe:
✅ ab 2030 40 Euro pro Tonne CO2
✅ ab 2035 100 Euro pro Tonne CO2.
Doch werden eben jene betroffenen Betriebe steuerlich entlastet, wodurch die effektiven Kosten der CO2-Steuer bei 16 Euro ab 2030 bzw. 40 Euro ab 2035 liegen werden. Die Einnahmen aus der CO2-Steuer werden zur Unterstützung der Agrarwende in den Jahren 2030 und 2031 an die Landwirtschaft zurückverteilt.
Zudem werden die dänischen Landwirt:innen jeweils in Milliardenhöhe bei oben genannter Flächentransformation unterstützt. Mit diesem Paket schafft die Regierung Vertrauen. Denn gegen eine klimaschützende Reinvestition von Abgaben in die eigene Branche kann man als Landwirt:in nun wirklich nicht argumentieren. Neben dem finanziellen Aspekt ist auch das wie, das heißt, das Zustandekommen des Maßnahmenpaketes brückenbauend und vertrauensbildend.
3. Gemeinsam gestalten, statt über die Köpfe hinweg
Denn der Gesetzgebungsprozess in Dänemark zeigt, wie durch die Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen ein von allen Beteiligten gebilligtes Maßnahmenpaket abgesegnet werden konnte. Landwirtschaft, Naturschützer:innen und Regierung setzten sich im Rahmen einer Drei-Parteien-Verhandlung an einen Tisch. Monatelang haben sie ihre Positionen miteinander abgewogen. So konnte niemand sagen, dass die Interessen einer bestimmten Gruppe übergangen worden wären.
Cem Özdemir ist jetzt am Zug
Das dänische Beispiel führt uns vor Augen, dass die klimaschonende, sozial gerechte Agrarwende möglich ist. Bereits 2021 hat die Zukunftskommission Landwirtschaft hierzulande – noch unter der Union – eine ähnliche Runde wie die dänische Drei-Parteien-Verhandlung ins Leben gerufen. Im Ergebnis kam heraus: Pro Jahr bräuchte es rund 5 Milliarden Euro, um von der klimaschädlichen intensiven Landwirtschaft loszukommen und Landwirt:innen gut einzubinden.
Die Beteiligten – von Bauernverband bis Umweltverbände – haben sich also schon einmal zusammengesetzt und den Weg in eine klimaresiliente, bäuerliche und naturnahe Landwirtschaft aufgezeigt. Es liegt an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir voranzugehen und den bereits gefundenen Konsens schrittweise umzusetzen. Auch die Union ist gut beraten, eine Annäherung von Landwirtschaft und Politik nicht durch politisch motivierte Parteiergreifung zu verhindern, die mit inhaltlicher Auseinandersetzung nichts zu tun hat.