CDU Gemeinnützigkeit
„Kleine Anfrage“: CDU greift Zivilgesellschaft an
Merz macht den Trump – und attackiert seine Kritiker: Weil sie zu Demos gegen Rechts aufgerufen haben, will der zukünftige Kanzler Vereine wie Greenpeace, Omas gegen Rechts und Campact mundtot machen.

Über 1,5 Millionen Menschen waren auf den Straßen, so wie hier Anfang Februar in Berlin – weil Friedrich Merz die Brandmauer gegen die AfD gefährdet hat. Foto: Chris Grodotzki / Campact
Mit einem Katalog von 551 Fragen an die Bundesregierung sät der angehende Kanzler Zweifel an der Glaubwürdigkeit vieler Organisationen, die zu Protesten gegen den Rechtsruck aufgerufen haben.
Von den „Omas gegen Rechts“ über Foodwatch bis zu Campact
Selbst den „Omas Gegen Rechts“ unterstellt Merz, sie würden von der Regierung kontrolliert. Merz „Kleine Anfrage“ betrifft auch das Recherchenetzwerk Correctiv, Attac, die Amadeu Antonio Stiftung, Peta Deutschland e.V., Animal Rights Watch e.V., Foodwatch e.V., Dezernat Zukunft e.V., die Deutsche Umwelthilfe e.V., Agora Agrar gGmbH, Agora Energiewende gGmbH, Greenpeace e.V., BUND e.V., Netzwerk Recherche e.V., Verein Neue deutsche Medienmacher e.V., Delta1 gGmbH und Campact e.V.
Worum geht es in der kleinen CDU-Anfrage?
Die „Kleine Anfrage“ der Union unterstellt Vereinen wie Campact e.V. indirekt, dass sie aus dem Ausland finanziert oder von einzelnen Parteien gesteuert wären. Damit stellt sie verfassungsmäßig verbriefte Grundrechte infrage und instrumentalisiert aktuelle rechtliche Unsicherheiten, wie es bisher nur von Seiten der AfD üblich war. Sie reiht Halbwahrheiten aneinander und verzerrt, welche Regeln für gemeinnützige Organisationen gelten.
Einer ernsthaften Überprüfung halten diese Behauptungen nicht stand. Denn gemeinnützige Organisationen dürfen sich durchaus an der politischen Willens- und der öffentlichen Meinungsbildung beteiligen und auch Äußerungen von Parteien kritisieren – ob es der Union passt oder nicht. Auch zu Campact e.V. finden sich über 20 Fragen in dem Fragenkatalog.
Nach „Demos gegen Rechts“: Angst vor politischen und finanziellen Konsequenzen
Manche der betroffenen Organisationen fürchten bereits um ihre Existenz. Selbst Initiativen, die noch nicht in Merz’ Fokus stehen, könnten aus Angst vor politischen und finanziellen Konsequenzen ihr Engagement einschränken. Laut einer Studie verstummen bereits jetzt 30.000 Vereine und Initiativen, weil sie um ihre Gemeinnützigkeit fürchten. Das ist katastrophal für unsere Demokratie.
CDU-Fraktionsvize Mathias Middelberg forderte bereits kurz vor der Bundestagswahl, Initiativen, die sich an den aktuellen “Demos gegen Rechts” beteiligten, die Gemeinnützigkeit zu entziehen und sie von staatlicher Förderung abzuschneiden. Campact richtete sich daher schon vor Beginn der Sondierungsphase mit einem 5-Punkte-Plan an die SPD-Spitze. Nun der Frontalangriff der CDU auf Campact und andere Organisationen.
Angriffe auf die Zivilgesellschaft weltweit
Angriffe auf die Zivilgesellschaft – das steht fest im Drehbuch von Autokraten und Rechtsextremen, von Trump bis Orbán. Immer wieder geht es dabei um vermeintlich unzulässige politische Einflussnahme, angebliche Finanzierung durch Parteien oder ausländische Geldgeber. Unliebsame Stimmen sollen so zum Schweigen gebracht werden, die Zivilgesellschaft unterdrückt und damit politische Opposition geschwächt werden.
In Ungarn, Russland oder der Türkei werden Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen sogar ins Gefängnis gesperrt, wenn sie die Regierung kritisieren.
Auch in Deutschland wird die Zivilgesellschaft immer öfter von Politiker*innen und Konzernlobbyist*innen attackiert: Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes 2019 gegen Attac fürchten viele Organisationen um ihre Gemeinnützigkeit. Campact wurde daraufhin die Gemeinnützigkeit entzogen. Politisches Engagement fördern, politische Beteiligung organisieren, das sei nicht gemeinnützig, heißt es. Seitdem setzt sich Campact für eine Reform der Abgabenordnung ein.
Verunglimpfung von NGOs als „Deep State“
Besonders aggressiv geht die extreme Rechte gegen gemeinnützige Organisationen vor. Rechtsradikale Vereine veröffentlichen Anleitungen, wie man die Gemeinnützigkeit von Organisationen gefährden kann. In kleinen Anfragen im Bundestag attackiert die AfD immer wieder zivilgesellschaftliche Organisationen für ihre Arbeit. Dass sich nun auch der CDU-Chef dieser Taktik bedient, ist schockierend.
Die CDU verweist und verlinkt in ihrer „Kleine Anfrage“ zudem auf einen Meinungsbeitrag in der Welt, in dem NGOs in Deutschland als „Deep State“, also ein Staat im Staate, bezeichnet werden. Den rechtsextremen Kampfbegriff des „Deep State“ findet man sonst eher in rechten Medienportalen und er wird auch von Donald Trump benutzt.
Demokratie vor Merz’ Angriff schützen
Merz’ Angriff zielt auf uns alle: ob wir auf der Straße demonstrieren, uns in einem Verein engagieren oder für Klimaschutz, Demokratie und Verbraucherrechte eintreten. Lasst uns dem gemeinsam entgegentreten und an die SPD appellieren.
Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm – anders als die Union – einen dezidierten Schwerpunkt auf den Schutz der Demokratie gesetzt. Im Koalitionsvertrag mit der Ampel-Regierung hatte die SPD sogar versprochen, das Gemeinnützigkeitsrecht an entscheidenden Punkten endlich zu verbessern. Dazu gekommen ist es nicht.
Sorge dafür, dass Deine Stimme mit am Tisch sitzt, wenn sich SPD und CDU in wenigen Tagen zu Sondierungen treffen – und schließe Dich jetzt dem Eil-Appell zum Schutz der Zivilgesellschaft an.