Handel Menschenrechte
Huch? Schon wieder ein Artikel über das Lieferkettengesetz? Ich würde ihn auch lieber nicht schreiben müssen. Denn eigentlich schien endlich alles gut, nachdem die EU im letzten Jahr – trotz Blockade durch die FDP – endlich ihr Lieferkettengesetz beschlossen hatte. Es gilt EU-weit und soll hierzulande das deutsche Lieferkettengesetz ablösen.
Doch nun droht das Gesetz vom Omnibus überrollt zu werden. Richtig gelesen! Im November 2024 kündigte Ursula von der Leyen eine „Omnibus“-Verordnung an, um bestehende Bürokratiepflichten für Unternehmen zu bündeln und zu vereinfachen. Wörtlich versprach die Kommissionspräsidentin: „Der Inhalt der Gesetze ist gut. Wir wollen ihn erhalten und wir werden ihn erhalten. Unsere Aufgabe ist es, die bürokratische Last zu reduzieren, ohne den korrekten Inhalt des Gesetzes zu verändern, das wir alle wollen.“
So weit, so gut – so falsch. Denn der im Februar 2025 vorgestellte Entwurf ist ein Frontalangriff auf das Lieferkettengesetz. Unter dem Deckmantel des „Bürokratieabbaus“ will die EU das Gesetz massiv aufweichen. Am 23. Juni enthielt sich Deutschland dann bei einer Abstimmung in Brüssel, bei der das Lieferkettengesetz auf dieser Grundlage massiv ausgehöhlt werden sollte. Der Vorschlag wurde angenommen.
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Lieferkettengesetz sollte Gerechtigkeit bringen
Volle Kraft rückwärts mit dem Omnibus also – das passt in eine Gegenwart, in der Menschlichkeit zunehmend spätestens an der Grenze des Nationalstaats haltmacht. Dazu passt auch gut ins Bild, dass auch die AfD sich intensiv für die Abschaffung des Lieferkettengesetzes starkmacht. Statt über die Menschen in den globalen Lieferketten zu sprechen, um deren Schutz es einmal ging, wird ausschließlich auf europäische Unternehmen geblickt, denen man nun frühestens ab 1,5 Milliarden Nettoumsatz zumuten möchte, einige ihrer mindestens 5.000 Mitarbeitenden mit einem Blick auf die eigene Lieferkette zu belasten.
Das ist keine Polemik: Laut dem mit deutscher Enthaltung angenommenen Vorschlag sollen künftig nur noch Unternehmen mit mindestens 5.000 Mitarbeitenden und 1,5 Milliarden (!) Euro Jahresnettoumsatz die Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen müssen. Das ist skandalös. Denn bisher gilt das Gesetz ab 1.000 Mitarbeitenden und 450 Millionen Euro – und bereits das sind laut der European Coalition for Corporate Justice nur 0,05 Prozent der EU-Unternehmen. Und das sollen immer noch zu viele sein?
Außerdem sollen die wenigen verbleibenden Giga-Unternehmen nur noch bestimmte Bereiche prüfen müssen, dafür nur noch oberflächliche Methoden anwenden und nur noch ihre direkten Zulieferer prüfen müssen – und nicht die weitere Kette, wo die meisten Menschenrechtsverletzungen stattfinden.
Keine Gewinne ohne schlechtes Gewissen
Es ist nicht zu viel verlangt, dass Unternehmen eine Verantwortung für ihre Profite übernehmen. Es ist schäbig, lieber nicht hinschauen zu wollen, wenn für die eigenen Produkte Näher*innen ausgebeutet werden, Kinder in Minen und auf Plantagen arbeiten oder Gifte in Flüsse geleitet werden. Und es ist schäbig, wenn ein reiches Land wie Deutschland sich in der EU nicht zu seiner Verantwortung bekennt und lieber Arbeiter*innen und Umweltschutz vor den Omnibus wirft.
Auch das deutsche Lieferkettengesetz musste erkämpft werden. Damals hatte die SPD aber noch zwei echte Sozialdemokrat*innen, die sich nicht einschüchtern ließen: die frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, und den damaligen Minister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil. Sie übernahmen Verantwortung für Arbeiter*innen in Deutschland und weltweit und kämpften für das Gesetz. Heute sucht die SPD verwirrt nach ihrem Markenkern und erlaubt der CDU, bestehende Errungenschaften anzugreifen.
Es ist aber noch nicht zu spät. Denn die Abstimmung im Rat war nur ein Zwischenschritt der europäischen Verhandlungen. Außerdem sprechen sich selbst viele Unternehmen für das Lieferkettengesetz aus. Auch in der Koalition gibt es keineswegs Einigkeit über den weiteren Kurs. Insbesondere in der SPD rumort es. Die Initiative Lieferkettengesetz hat eine Petition an die Bundesregierung gestartet, um das Lieferkettengesetz noch zu retten. Zum Unterschreiben bitte ganz schnell hier entlang: