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Hamburg 2021: Demokratie wird unbezahlbar

Was wäre wenn … TTIP und CETA doch durchkämen? Wie sähe Hamburg im Jahr 2021 aus, wenn die Konzernlobby sich durchsetzen würde? Heute: Das Beispiel Rekommunalisierung. Die “Hamburger Zukunftspost” berichtet über ein erschreckendes Szenario.

Zukunftspost aus Hamburg: Mit TTIP & CETA werden Volksentscheide ignoriert

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Hamburg im September 2021

In Barmbek wurde gestern bei einer Gasexplosion ein Wohnhaus zerstört. Drei weitere Gebäude wurden teils schwer beschädigt. Wie durch ein Wunder kam niemand dabei ums Leben. Drei Bauarbeiter wurden verletzt. Vier Familien wurden über Nacht obdachlos. Bis in die späten Abendstunden war ein Großaufgebot der Feuerwehr im Einsatz.

Nach verheerender Gasexplosion: Debatte um die Rückholung des Gasnetzes in öffentliche Hand

Dem Polizeisprecher zufolge werde gegen den Gasnetzbetreiber Veolia ermittelt. Es bestehe dringender Verdacht, dass die Gas-Zuleitung sich nicht in ordnungsgemäßem Zustand befunden habe. Bereits zwei kleinere Vorfälle in den Stadtteilen Wilhelmsburg und Altona hätten starke Hinweise auf marode Gasleitungen ergeben. „Wir werden die Ermittlungen jetzt in Zusammenarbeit mit der Baubehörde systematisieren.” Anwohner und Umweltschutzaktivisten beklagen, dass der Betreiber aus Kostengründen die erforderliche Wartung vernachlässigen würde. Bereits 2010 geriet der Konzern wegen mangelnder Wartung in die Schlagzeilen: Der Dokumentarfilm “Water Makes Money”  zeigte, wie private Konzerne mit Wasser Geld machen – und machte unter anderem Missstände in Veolias Wartung von Rohrleitungsnetzen öffentlich.

Die Explosionskatastrophe befeuert erneut die Debatte um die Rückholung des Gasnetzes in öffentliche Hand. Die Opposition in der Bürgerschaft verlangt bereits seit der ersten Explosion in Wilhelmsburg vor drei Monaten, Veolia die Konzession zu entziehen. „Wenn Leib und Leben der Hamburger bedroht sind, muss der Senat aufhören, nur von Geld zu sprechen.“

Volksentscheid zur Rekommunalisierung durch CETA ausgehebelt

Die Rekommunalisierung von Hamburgs Energienetzen war bereits 2012 durch einen Volksentscheid beschlossen worden, wurde jedoch nur beim Stromnetz umgesetzt. Die Gasnetz-Konzession ging 2018 an den Veolia-Konzern, da die Rückkaufverhandlungen der Stadt mit dem früheren Netzbetreiber E.ON nicht rechtzeitig vor Inkrafttreten des CETA-Abkommens abgeschlossen wurden. CETA schrieb für die Konzessionsvergabe neue Regeln vor. Nach Konsultation des EU-kanadischen Kooperationsforums wies die EU-Kommission Hamburg an, die Gas-Konzession entsprechend der CETA-Regeln auszuschreiben.

Veolia unterlag zunächst im Bieterwettbewerb gegen das städtische Unternehmen, machte anschließend jedoch eine Verletzung des CETA-Vertrags vor dem ICSID-Schiedsgericht in Washington geltend und verlangte 500 Millionen Euro als Entschädigung. Hamburg habe sein eigenes Unternehmen im Vergabeverfahren privilegiert. Dieses sei „einseitig diskriminierend und willkürlich“ auf die Umsetzung des Volksentscheides hin ausgerichtet gewesen. Derartige Rückschritte in der Liberalisierung seien von CETA jedoch eindeutig untersagt. Als preisgünstigster Anbieter habe Veolia eindeutig Anspruch auf den Zuschlag gehabt. Dass der Senat die Verweigerung des Zuschlags mit Verweis auf das Hamburger Vergabegesetz begründe, sei „illegitim“. Die dort enthaltenen Vorschriften über Mindestlohn und Gleichstellung von Leiharbeitern diskriminierten Veolia als den wettbewerbsfähigsten Anbieter.

Die von Veolia geforderte enorme Entschädigungssumme einerseits, Bundesregierung und EU-Kommission andererseits drängten Hamburgs Senat zu einem Vergleich: die Vergabeentscheidung wurde korrigiert, Veolia bekam den Zuschlag für die Gasnetze. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) begründete die Entscheidung damit, dass das finanzielle Risiko für die Stadt nicht tragbar gewesen sei. „Diese Entscheidung fällt schwer, doch gibt es dazu keine Alternative. Wir sind dem Volksentscheid verpflichtet, doch zugleich in der Pflicht, Hamburgs finanzielles Überleben zu sichern.“

Die Alternative: Volksentscheid wird durchgesetzt – aber Konzern erhält Milliarden

Die Initiatoren des Volksentscheids klagen derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Entscheidung. Experten zufolge könnte die Klage zwar dazu führen, dass die Rekommunalisierung nachträglich umgesetzt wird. In diesem Fall rechnet man jedoch mit weiteren Schadenersatzforderungen Veolias auf Basis des CETA-Abkommens.

Hier endet der Bericht der Hamburger Zukunftspost. Aber muss es soweit kommen?

Eine düstere Vision, die auf unserer Studie “TTIP und CETA in Hamburg” basiert. Doch muss es soweit kommen? Nein, denn CETA und TTIP können noch gestoppt werden. Hamburg hat im Bundesrat einen gewichtigen Einfluss darauf, ob die beiden Abkommen in Kraft treten. Denn wenn der Bundesrat nicht zustimmt, dann scheitert die Ratifizierung von CETA.

Weitere Artikel aus der „Hamburger Zukunftspost“:

Wenn Sie Hamburger sind: Wissen Sie schon, wie die Parteien zu TTIP & CETA stehen? Machen Sie den Parteiencheck – damit Hamburg am 15. Februar Nein sagt zu TTIP & CETA. Geben Sie dem Ausverkauf der Demokratie keine Chance!

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Autor*innen

Annette Sawatzki, Jahrgang 1973, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Bonn, Berkeley und Hamburg. Sie arbeitete als Dokumentarin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Büroleiterin von Bundestagsabgeordneten. Ihre Schwerpunkte als Campaignerin bei Campact liegen in der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Alle Beiträge

7 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich habe eine Frage:

    Wie kann ein Unternehmen etwas Einfordern das erst in einem Abkommen geregelt wird das in der Zukunft liegt? Eine Ratifizierung von CETA würde doch nicht Rückwirkend auf alle anderen Projekte und Entscheidungen gelten oder?

    Befürworten kann ich TTIP CETA und TISA auf keinen Fall, jedoch kann ich mir kaum vorstellen wie das funktionieren soll? Ich würde mich über eine Erklärung freuen.

    • Lesen Sie dazu unsere Studie „TTIP vor Ort„, Seite 10 unten: „Eine beträchtliche Ausweitung des Investorenschutzes schließlich erlaubt die von der EU in das TTIPInvestitionskapitel integrierte Schirmklausel (Umbrella Clause). Diese versteckt sich hinter einem Satz im Artikel 12.3 des durchgesickerten Entwurfs. Danach muss eine TTIP-Vertragspartei „jegliche Verpflichtung erfüllen, die sie bezüglich eines Investors der anderen Partei oder einer Investition dieses Investors eingegangen ist“.
      Nach weiten Interpretationen internationaler Schiedstribunale umfasst die Schirmklausel sämtliche Verpflichtungen, die Staaten oder staatliche Behörden gegenüber Investoren eingegangen sind, seien diese vertraglicher oder gesetzlicher Natur.“

  2. Ich möchte nicht, dass solch ein Szenario eintrifft, darum stimme ich aus voller, innerer Überzeugung gegen TTIP & CETA.

  3. Wer sich im Nebel befindet, verliert die klare Sicht für alles!

    Demokratische Bestimmung ist nicht die Sache von Firmen!

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