LGBTQIA* Menschenrechte
Bedroht, verhaftet, getötet
Der Juni ist Pride Month. Auf der ganzen Welt feiert die queere Community Freiheit und Vielfalt. Auf der ganzen Welt? Leider nicht. In vielen Ländern können die Menschen nicht auf die Straße gehen, tanzen und für ihre Rechte demonstrieren – sie fürchten stattdessen um ihr Leben.
In mehr als 60 Ländern ist Homosexualität immer noch strafbar – in einigen droht sogar die Todesstrafe. Menschen werden aufgrund ihrer sexuellen Identität ausgegrenzt, kriminalisiert, verhaftet, gefoltert oder umgebracht. Wie es um die rechtliche Gleichstellung von Schwulen, Lesben und trans Menschen weltweit steht, zeigt die umfangreiche Datensammlung der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association, kurz ILGA.
Die Liste der Länder, die queere Menschen diskriminiert und kriminalisiert, ist zu lang, um sie an dieser Stelle zu besprechen. Aber ein schlaglichtartiger Blick auf ein paar Entwicklungen der letzten Zeit zeigt: Immer mehr Staaten schränken die Rechte queerer Menschen ein, weltweit nimmt Homophobie zu.
Russland
Gesellschaftlich tabuisiert, aber grundsätzlich gesetzlich legal – das ist die Lage in Russland. Doch seit Jahren dreht der Staat die Daumenschrauben für queere Menschen an; die Lage für Schwule und Lesben verschlechtert sich stetig. 2013 verabschiedete die Duma ein Gesetz, dass die sogenannte „Propaganda“ für „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ unter Minderjährigen verbietet. 2022 sorgte Putin dafür, dass dies nun auch für Erwachsene gilt. Immer mehr Bücher und Filme landen auf dem Index. Das Ziel: Queeres Leben soll aus der Öffentlichkeit verschwinden. Kein Wunder also, dass die Zahl der Hassverbrechen gegen queere Menschen seit Jahren steigt – mit bislang mehreren Hundert Todesopfern.
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Bosnien-Herzegowina
Auch in Bosnien-Herzegowina ist Homosexualität zwar legal, aber noch lange nicht gesellschaftlich akzeptiert. Es gibt weder eine eingetragene Lebenspartnerschaft noch die Ehe für alle. Immer wieder fallen Politiker durch homophobe Ausfälle auf. Milorad Dodik, Präsident der halbautonomen Teilrepublik Republika Srpska, hat angekündigt, homosexuellen Menschen den Zugang zu Schulen verbieten zu wollen. Mit Blick auf Homosexualität sagte er: „Es gibt vielleicht Orte auf der Welt, wo das normal ist. Und da können sie ja hingehen und tun, was sie wollen. Aber unsere Art zu leben ist das nicht und ich versuche, unsere Art zu leben zu schützen.“
Italien
Italien war das letzte westeuropäische EU-Land, das 2016 eine rechtliche Grundlage für homosexuelle Partnerschaften einführte. Auch auf gesellschaftlicher Ebene hat sich das Land in den letzten Jahren immer mehr geöffnet. Dann kam Giorgia Meloni. „Ich sage Ja zur natürlichen Familie, Nein zur LGBT-Lobby“, sagte sie 2022 im Wahlkampf. Als Ministerpräsidentin bekämpft sie nun Leihmutterschaften – ein Weg zur Familiengründung, den auch viele homosexuelle Paare einschlagen – und LGBTQ-Familien. Ihr Innenministerium verlangt von Bürgermeister*innen im ganzen Land, keine Geburtsurkunden mehr auszustellen, auf denen zwei Mütter oder zwei Väter als Eltern eingetragen sind.
Irak
Queere Menschen hatten es im Irak sowieso schon nicht leicht; sie leiden unter gesellschaftlicher Ausgenzung, Diskriminierung und Angriffen. Nun hat sich die Situation noch einmal verschärft. Das irakische Parlament hat homosexuelle Beziehungen Anfang des Jahres unter Strafe gestellt. Das Gesetz sieht eine Haft von bis zu 15 Jahren vor, trans Menschen drohen bis zu drei Jahre. Wer Homosexualität fördert, muss mit sieben Jahren Gefängnis rechnen.
Uganda
Die irakischen Abgeordneten könnten Uganda inspiriert haben. Etwas mehr als ein Jahr ist es jetzt her, dass Präsident Yoweri Museveni das neue Anti-Homosexuellen-Gesetz seines Landes unterzeichnet hat. Auf „schwere Homosexualität“ steht nun die Todesstrafe, etwa wenn eine mit HIV infizierte Person beteiligt ist. „Versuchte schwere Homosexualität“ wird mit bis zu 14 Jahren bestraft. Bis zu 20 Jahre Haft drohen denjenigen, die sich für homosexuelle Menschen engagieren. Für den UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk ist das Gesetz eines der „schlimmsten seiner Art in der Welt“ – doch in der mehrheitlich christlichen Bevölkerung kommt es gut an; die Stimmung im Land ist schon lange sehr queerfeindlich.
Indonesien
Weltweit ist Indonesien das Land mit der größten muslimischen Gemeinschaft. Die Bevölkerung gilt als queerfeindlich, doch bislang ist Homosexualität nur in der konservativen Provinz Aceh verboten. Das ändert sich im nächsten Jahr. Dann tritt ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, das außerehelichen Sex unter Strafe stellt – es droht bis zu einem Jahr Haft. Das ist vor allem für queere Menschen tragisch, denn Indonesien kennt keine gleichgeschlechtlichen Ehen. Das indonesische Parlament plant außerdem ein Gesetz, dass die Sichtbarkeit queerer Menschen in den Medien deutlich einschränken soll.
Auf die Straße
Ghana, Kenia und Somalia in Afrika, Iran und Turkmenistan in Asien, Ungarn und Polen in Europa: Diese Liste ließe sich noch lange weiterführen. Das ist erschreckend, darf uns aber nicht davon abhalten, im Juni wieder auf die Straße zu gehen. Sichtbar und stolz zu sein und zu feiern, was wir bislang erreicht haben. Doch wir sollten wachsam bleiben – das zeigt uns das Beispiel Italien – und Homo- und Transphobie sowie die queerfeindliche Haltung der AfD im Blick behalten.
Wir brauchen außerdem eine Außenpolitik, die sich klar gegen queerfeindliche Gesetze positioniert. Eine Entwicklungspolitik, die zivilgesellschaftliche Initiativen in den Ländern stärkt, in denen queere Menschen von Hass und Gewalt bedroht sind. Und mehr Unterstützung für queere Geflüchtete, die aus ihrer Heimat nach Deutschland fliehen mussten.