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Was bedeuten die Grenzkontrollen für Deutschland?

Seit Montag gibt es an allen deutschen Grenzen Kontrollen. Welche Folgen das für Pendler und Reisende hat – und was es über den Kurs der deutschen Asylpolitik aussagt.

Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze am 17.09.2024 am Grenzübergang Walserberg.
Grenzkontrollen der Bayerischen Bereitschaftspolizei und Bundespolizei am 17. September an der deutsch-österreichischen Grenze. Foto: IMAGO / Revierfoto

Seit Montag, dem 16. September, gibt es in Deutschland eine historische Neuerung: An allen Grenzen zu den Nachbarländern finden Grenzkontrollen statt. Diese sind im Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen. Bisher kontrollierte die Bundespolizei nur an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich, der Schweiz und zuletzt auch Frankreich. Diese bereits laufenden Grenzkontrollen im Osten und Süden des Landes wurden nun auf die Landgrenzen im Westen zu Belgien, den Niederlanden und Luxemburg sowie im Norden zu Dänemark ausgeweitet. Was bedeutet das im Detail?

Einschränkungen für Pendler und Urlauber sollen minimal bleiben

Laut Bundespolizei sind ausdrücklich „keine Vollkontrollen“ geplant. Stattdessen sollen diese sogenannten „smarten Kontrollen“ stichpunktartig, örtlich wechselnd und temporär stattfinden. „Dabei werden aufgrund von Lageerkenntnissen und Fahndungsrastern relevante Fahrzeuge und Personen grundsätzlich aus dem fließenden Verkehr gezogen“, teilt die Bundespolizei mit. Neben uniformierten Einsatzkräften sind auch Zivilpolizisten im Einsatz. Potenziell kann aber jedes Auto und jede Person, die eine der Grenzen passieren, zu einer Kontrolle angehalten werden.

Reisende und Pendler würden gebeten, ein Identitätsdokument wie den Personalausweis oder den Reisepass mitzuführen. Das war aber ohnehin immer bei Reisen in die Nachbarländer so, auch bereits vor den Grenzkontrollen. Die Kontrollen sollen erstmal in einem Zeitraum von sechs Monaten stattfinden. Staus soll es aufgrund der neuen Bestimmungen aber keine geben, so die Bundespolizei – dennoch kommt es bereits jetzt an einigen Grenzübergängen zu Polen, Tschechien, der Schweiz und Österreich zu Verzögerungen.

Grenzkontrollen als Symptom einer restriktiven Asylpolitik

„Wir werden uns selbstverständlich an das Europarecht halten, aber trotzdem haben wir die Grenzkontrollen verstärkt. Das ist auch notwendig“, sagte Olaf Scholz in seiner Rolle als SPD-Abgeordneter. Das Europarecht, auf das sich Scholz hier bezieht, ist unter anderem im Schengen-Abkommen festgehalten. Zum Schengen-Raum, der rund 30 Länder umfasst, gehören auch einige Nicht-EU-Staaten wie Norwegen und die Schweiz. Sie verpflichten sich, keine andauernden Grenzkontrollen durchzuführen. Solange sie nur temporär und aufgrund einer besonderen Situation stattfinden, sind Kontrollen zulässig.

Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verteidigen

Angetrieben von CDU und AfD ist die Bundesregierung dabei, das Grundrecht auf Asyl fast bis zur Unkenntlichkeit auszuhöhlen. Ein Bündnis aus Pro Asyl, Amnesty International und weiteren Organisationen fordert auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, Innenministerin Nancy Faeser auf: Verteidigen Sie Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde!

An den Grenzen von Frankreich gibt es zum Beispiel seit 2018 wieder Grenzkontrollen. Ursprünglich sollten sie auch hier nur für ein halbes Jahr gelten. Sie wurden nach diesem halben Jahr aber immer wieder um weitere sechs Monate verlängert: wegen akuter Terrorgefahr, Corona, der Fußball-EM in Deutschland und zuletzt wegen der Olympischen Spiele in Paris. In Frankreich gilt seit einem IS-Anschlag bei Moskau im März die höchste von insgesamt drei Terrorwarnstufen. In Österreich gibt es seit 2015 wieder teilweise Grenzkontrollen. Auch Österreich beruft sich auf das Schengen-Abkommen, um sie zu rechtfertigen: Gründe seien vermehrte Schleuser-Kriminalität und der Schutz vor Extremismus.

Diese Beispiele zeigen, dass die jetzt eingeführten Grenzkontrollen keinesfalls nur temporär sein müssen – es braucht nur einen Grund. Das heißt aber nicht, dass das rechtmäßig ist. Im Gegenteil: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2022 sogar geurteilt, dass die Einführung und Verlängerung von Grenzkontrollen nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. 

Die derzeitigen Grenzkontrollen sind nicht aus einer akuten Bedrohungslage heraus entstanden, sondern mehr aus einer innenpolitischen Diskussion. Bereits die bisher bestehenden, sich immer wieder verlängernden Kontrollen zu Polen oder Österreich, sowie die Kontrollen an der Österreich-Slowenischen Grenze, verstoßen eindeutig gegen das EU-Recht, sagen Jurist*innen. In so einem Fall müsste eigentlich die Europäische Kommission eingreifen und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. Das ist eine Art Klage wegen Verstoßes gegen EU-Recht. Ist dieses Verfahren erfolgreich, müsste Deutschland mit einer finanziellen Strafe rechnen. Die bisher bestehenden Kontrollen zeigen aber auch, dass ein Ziel, das die Bundesregierung mit den neuen Auflagen verfolgt, trotzdem nicht erfüllt werden kann: „Es hat die Zahl der Asylanträge überhaupt nicht reduziert“, sagt der Migrationsforscher Gerald Knaus im Deutschlandfunk. Grenzkontrollen seien auch kein Mittel, um etwa islamistischen Terror zu verhindern, denn viele der Täter hätten sich erst in Deutschland radikalisiert. Es besteht kein nachgewiesener Zusammenhang zwischen illegaler Einreise und Gewaltverbrechen.

„Smarte Kontrollen“ laden zu offenem Rassismus ein

Wie genau die Kontrollen aussehen und welche Kriterien die Bundespolizei für die Stichproben anlegt, ist bisher eher unklar formuliert. Das birgt das Risiko, sich von Vorurteilen leiten zu lassen – die „smarten Kontrollen“ werden bereits jetzt als „Beschönigung für ‚Racial Profiling'“ bezeichnet.

Offen ist auch die Frage über mögliche Zurückweisungen an der Grenze, wie sie zum Beispiel CDU-Chef Friedrich Merz fordert. Bereits jetzt gibt es Anklänge davon. So prüft die Grenzpolizei bei den Kontrollen, ob Einreise-legitimierende Dokumente vorhanden sind, beispielsweise ein Pass, Passersatz, Personalausweis oder Aufenthaltstitel. Besteht dann der Verdacht der irregulären Einreise, befragt die Polizei die Person, kontrolliert sie und sichert weitere Beweismittel. Im weiteren Verlauf werde geprüft, „ob eine Einreise-verhindernde-Maßnahme durchgeführt werde, wie beispielsweise eine Zurückweisungen [sic].“ Eine Zurückweisung ist aber nur möglich, sobald jemand die Einreisevoraussetzungen für Deutschland definitiv nicht erfüllt.

Die Dublin-III-Verordnung sieht vor, dass grundsätzlich der EU-Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist, in dem die schutzsuchende Person zuerst die EU betreten hat. Da Deutschland keine EU-Außengrenzen hat, ist das meistens ein anderes EU-Land.

Sobald eine Person an der deutschen Grenze allerdings ein Asylgesuch ausspricht, muss Deutschland diesem Gesuch nachkommen – auch wenn „eigentlich“ laut Dublin III (siehe Kasten) ein anderes Land zuständig gewesen wäre. Das bedeutet kurzum: Die Bundespolizei darf die Person nicht zurückweisen. Sie muss an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weitergeleitet werden. Dieses klärt dann in einem Verfahren, ob der Asylantrag tatsächlich in Deutschland oder einem anderen EU-Land bearbeitet wird. Dieses Verfahren muss dann aber Deutschland bzw. das BAMF einleiten. 

Das ist indirekt der Plan von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): Das Dublin-Verfahren soll beschleunigt bereits an der Grenze ablaufen. Die asylsuchenden Menschen sollen in der Zeit, in der das Verfahren läuft, nahe der Grenze inhaftiert werden. Das käme nicht nur einer Vorverurteilung gleich – es ist auch ein massiver Eingriff in die Menschenrechte


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