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Was uns wirklich wichtig ist

Die AfD hat bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen Rekordergebnisse eingefahren. Erschreckend – vor allem, wenn man betrachtet, wie wenig relevant die Inhalte der Partei sind. Ein Kommentar von Sibel Schick dazu, was jetzt wirklich zählt.

Erste Hochrechnungen zur Landtagswahl in Sachsen, TV-Zuschauer vor Fernseher am 1. September 2024.
Foto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Sachsen und Thüringen haben gewählt. Am Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen und damit des Beginns des Zweiten Weltkriegs wählten Deutsche in Sachsen mit 30,6 Prozent und in Thüringen mit 32,8 Prozent Faschist*innen. Bei jungen Wähler*innen ist die AfD die populärste Wahl. Der Grund seien Unsicherheiten und Zukunftsängste, sagt der Generationenforscher Rüdiger Maas im Gespräch mit dem ZDF. Als hätten ältere Menschen oder jene, die demokratische Parteien wählen, keine Unsicherheiten oder Zukunftsängste.

Die AfD ist eine Partei, die seit ihrer Gründung noch nie eine richtige Lösung für ein richtiges Problem vorstellen konnte. Nicht nur sind die Probleme, über die sie spricht, frei erfunden, sondern sind auch die angeblichen Lösungen weit davon entfernt, irgendwas lösen zu können. Die AfD ist eine Partei, die nicht nur zutiefst ungeeignet dafür ist, eine Region oder ein Land zu führen, sondern auch eine, die Deutschland und die Welt brennen sehen will.

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Macht ist nicht gleichbedeutend mit Stärke

Menschen verwechseln faschistoide Macht mit Stärke. Das sieht man auch daran, wie sich AfD-Wähler*innen in Straßeninterviews zeigen: Eine selbstbewusste Fassade, der nichts folgt außer leere, auswendig gelernte Sprüche. Sich nicht mit den Inhalten einer Partei, für die man gerade gewählt hat, auszukennen, ist selbstverständlich keine Stärke, sondern eine Schwäche. Es ist zudem nicht nachhaltig, weil faschistoide Macht die Tendenz hat, sich selbst zu konsumieren. Die Geschichte ist voller Beispiele davon.

Wäre die Gefahr nicht so groß, könnte man den Deutschen eine von der AfD geführte Regierung wünschen, damit sie mal selber erleben, was dabei rauskommt. Im besten Fall wären nämlich Frühwahlen angesagt, weil sie mit einer Regierung zu tun hätten, die mit leeren Augen untätig da steht wie ein Feldhase im Scheinwerferlicht. Im schlimmsten Fall allerdings würden mehrfachmarginalisierte Menschen massenhaft sterben. Und dieses Risiko kann man nicht eingehen, um den Deutschen einfach mal eine Lektion zu erteilen.

Bei den Themen bleiben, die relevant sind

Es ist an der Zeit, nicht nur für politische Parteien, sondern auch für zivilgesellschaftliche Organisationen und jeden einzelnen Menschen in Deutschland, über die richtigen Probleme zu sprechen – und zwar jederzeit und überall, damit die AfD entwaffnet werden kann. Was uns wichtig ist, muss laut und unmissverständlich an jeder Ecke des Landes den Hass und leere Phrasen übertönen.

Was wir wollen? Bezahlbaren Wohnraum! Einklagbare Arbeitnehmer*innenrechte! Löhne, die nicht nur die Lebenshaltungskosten abdecken, sondern mehr! Mit Menschenwürde arbeiten! In einer Gesellschaft leben, in der jedes Leben gleichermaßen zählt, wertvoll und schützenswert ist! Politische Teilhabe, ein selbstbestimmtes Leben in Solidarität und Zusammenhalt! Ein Leben frei von Angst, sinnvolle Mobilität, gesunde Nahrung, nachhaltige Umweltpolitik, Möglichkeiten legaler Einreise von Menschen außerhalb der Europäischen Union und damit ein Ende des Sterbens im Mittelmeer! Ein Ende zum unbegrenzten Reichtum, eine faire Verteilung der Ressourcen der Erde! Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit!

Nur wenn wir beim Thema bleiben, können wir Parteien wie die AfD dazu zwingen, auch über das Wichtige zu sprechen – oder eben nicht. Und wer nicht über die wichtigen Themen spricht, macht sich überflüssig. Wenn wir die Bedrohung durch das faschistische Gedankengut bekämpfen möchten, müssen wir uns konzentrieren.

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Autor*innen

Sibel Schick kam 1985 in Antalya, der Türkei, auf die Welt und lebt seit 2009 in Deutschland. Sie ist Kolumnistin, Autorin und Journalistin. Schick gibt den monatlichen Newsletter "Saure Zeiten" heraus, in dem sie auch Autor*innen, deren Perspektiven in der traditionellen Medienlandschaft zu kurz kommen, einen Kolumnenplatz bietet. Ihr neues Buch „Weißen Feminismus canceln. Warum unser Feminismus feministischer werden muss“ erscheint am 27. September 2023 bei S. Fischer. Ihr Leseheft "Deutschland schaff’ ich ab. Ein Kartoffelgericht" erschien 2019 bei Sukultur und ihr Buch "Hallo, hört mich jemand?" veröffentlichte sie 2020 bei Edition Assemblage. Im Campact-Blog beschäftigte sie sich ein Jahr lang mit dem Thema Rassismus und Allyship, seit August 2023 schreibt sie eine Kolumne, die intersektional feministisch ist. Alle Beiträge

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