Rechtsextremismus
Wann fängt Faschismus an?
Faschismus ist keine plötzliche Erscheinung. Faschismus beginnt im Alltag – und dort muss er gestoppt werden.

Demo #ZusammenGegenRechts im Januar 2024 in Leipzig. Foto: Nora Börding / Campact
Faschismus ist keine plötzliche Erscheinung, kein historischer Unfall, sondern ein schleichender Prozess. Er beginnt oft subtil – in Worten, Haltungen und (wie letzte Woche im Bundestag gesehen) politischen Entscheidungen. Doch wann genau fängt Faschismus an? Und wie können wir die Anfänge erkennen, bevor es zu spät ist?
Die schleichende Normalisierung
Faschismus beginnt mit der Verschiebung gesellschaftlicher Normen: Erst kommt die Normalisierung extremer Ideen, dann die Gewöhnung, dann die Dehumanisierung von Gegner*innen.
Warnsignale können sein:
- wenn abwertende Sprache gegenüber Minderheiten salonfähig wird (wie im Pony-Club auf Sylt).
- wenn autoritäres Denken als „starke Führung“ verkauft wird (laut der Leipziger Autoritarismus-Studie wird der Wunsch nach einer autoritären Führung wird derzeit größer).
- wenn demokratische Grundprinzipien als „Hindernisse“ dargestellt werden (wie im Thüringer Landtag, wo die AfD Chaos stiften wollte, um das Vertrauen in parlamentarische Funktionsweisen zu untergraben).
Hohe Ungleichheitsideologie + hohe Gewaltbereitschaft
Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer beschreibt rechtsextremes Denken anhand zweier Achsen: der Ideologie der Ungleichheit – die Überzeugung, dass manche Menschen mehr wert sind als andere – und der Gewaltakzeptanz. Letztere umfasst nicht nur das Ausüben von Gewalt, sondern auch deren Billigung als politisches Mittel.
Die Spaltung der Gesellschaft
„Faschismus entsteht in Momenten, in denen Menschenrechte verhandelbar werden und die Ausgrenzung von Minderheiten normalisiert wird“, schreibt die Bildungsstätte Anne Frank.
Es ist die Spaltung in „Wir“ und „Die Anderen“. Wir mit einem deutschen Pass und die anderen mit den zwei Staatsbürgerschaften. Den Menschen innerhalb des Landes ohne Migrationsgeschichte und denen, die hier Schutz suchen.
Die AfD geht noch weiter. Für manche ihrer Politiker*innen gehört selbst jemand mit deutschem Pass nicht zwingend dazu. Das zeigte sich zum Beispiel beim Potsdamer Treffen, wo zahlreiche AfD-Politiker die massenhafte Vertreibung von Menschen auch mit deutscher Staatsbürgerschaft planten.
Feindbilder des Faschismus
Faschistische Bewegungen brauchen Feindbilder: Meist sind das Migrant*innen, politische Gegner*innen, Intellektuelle oder andere Gruppen, die als Bedrohung inszeniert werden. Die Angst vor einem vermeintlichen „Untergang“ der eigenen Kultur oder Nation wird geschürt.
Auch die AfD beschwört einen angeblichen „ethnisch-kulturelle(n) Wandel der Bevölkerungsstruktur“ und knüpft damit an die Verschwörungserzählung des „Großen Austauschs“ an. Die „einheimische“ – sprich, weiße – Bevölkerung soll laut dieser Erzählung ausgetauscht werden.
Der Angriff auf die Demokratie
Faschismus beginnt dort, wo demokratische Institutionen gezielt geschwächt werden. Das kann durch die Diffamierung unabhängiger Medien, die Einschränkung von Grundrechten oder die Aushöhlung der Gewaltenteilung geschehen.
Zahlreiche AfD-Politiker*innen stellen regelmäßig demokratische Institutionen infrage. Björn Höcke behauptet sogar, Deutschland sei kein Rechtsstaat mehr. Mit solchen Aussagen möchten manche AfDler*innen gewaltsames Vorgehen rechtfertigen – unter anderem auch den Sturz unserer Demokratie.
Campact steht bereits seit Jahren für eine gerechte, demokratische Gesellschaft ein.
Mit Desinformation und Verschwörungsmythen erschüttert sie außerdem das Vertrauen in etablierte Medien, Wissenschaft und demokratische Parteien. Sie diffamiert zudem immer wieder die unabhängige Presse: Beliebte Kampfbegriffe der AfD wie „Systempresse“ und „Lügenpresse“ benutzten bereits die Nationalsozialisten. Unabhängige und kritische Berichterstattung ist ein zentrales Element jeder funktionierenden Demokratie – wer sie einschränken will, ist kein Demokrat.
Der Kult um eine Führerfigur
Wir leben in ein immer komplexer werdenden Welt mit komplexen Problemen. In faschistischen Bewegungen gibt es meist einen charismatischen Anführer, der sich als Heilsbringer inszeniert und einfache Lösungen für komplexe Probleme propagiert.
Oftmals werden sie als „Stimme des Volkes“ dargestellt – während tatsächlicher Widerspruch unterdrückt oder kriminalisiert wird. Der AfD fehlt diese Figur bislang. Weder Höcke, noch Weidel oder Chrupalla sind sonderlich beliebt. Doch Faschismus beginnt eben nicht erst mit dem einen Diktator, er beginnt viel früher.
Militarisierung und Gewalt
Neben der hohen Ungleichheitsideologie ist auch eine hohe Gewaltbereitschaft ein Merkmal des Faschismus: Sprache wird zunehmend aggressiver, Gegner*innen werden als „Verräter“ oder „Volksfeinde“ deklariert. Gewalt wird als legitimes Mittel der Politik dargestellt – erst rhetorisch, dann physisch. Die Eskalation beginnt oft mit Drohungen, Einschüchterungen und Angriffen auf Einzelpersonen oder Gruppen, bevor sich systematische Repressionen durchsetzen.
Laut einer Studie der Universität Bielefeld sind AfD-Wählende deutlich gewaltbereiter als Wähler*innen anderer Parteien. Gewalt werde oftmals nicht nur als Grauzone toleriert, sondern auch tätliche Angriffe würden gebilligt. Auch die Politiker der Partei selbst sind gewaltbereiter: Fälle, in denen AfD-Abgeordnete Straftaten begangen haben, häufen sich.
Die größte Gefahr eines neuen Faschismus?
Rechtsextremismus-Experten wie Andreas Kemper sehen die größte Gefahr des neuen Faschismus im Netzwerk von US-amerikanischen Tech-Milliardären und Investoren, die Trump unterstützen. Lies hier seinen Beitrag aus dem August 2024. Die Netzwerke von einflussreichen, super-reichen Männern machen es den einzelnen Individuen innerhalb dieses Netzwerks immer leichter, mehr Macht zu konzentrieren. Die Gemeinsamkeit dieser Personen: ein verzerrtes Welt- und Selbstbild.
Wachsam sein
Faschismus beginnt nicht erst mit Diktatur oder Gewalt, sondern viel früher – in den Köpfen, in der Sprache und in der Politik. Deshalb gilt es wachsam zu sein, wenn erste Anzeichen sichtbar werden. Demokratie ist keine Selbstläuferin. Demokratie lebt von Menschen, die sich aktiv für Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte einsetzen. Nur wer frühzeitig reagiert, kann verhindern, dass autoritäres Denken zur dominanten Realität wird. Faschismus beginnt im Alltag – und dort muss er gestoppt werden.
Ob im Parlament, auf der Straße oder im Internet: Rechtsextremismus ist gefährlich und bedroht unsere Demokratie. Campact setzt sich entschlossen dagegen ein – mit Appellen, Demos und Aktionen im Netz.
Mach auch Du Dich stark gegen Rechtsextremismus. Wir unterstützen Dich beim Dagegenhalten. Hier findest Du Tipps fürs Gespräch mit AfD-Sympathisant*innen. In unserem WhatsApp-Kanal versorgen wir Dich zudem mit Fakten, Grafiken oder informativen Videos gegen rechtsextreme Propaganda – anschaulich, aufklärend und einfach zu teilen. Und damit Dir in entscheidenden Momenten nicht die Argumente fehlen, findest Du hier 10 Argumente, warum die AfD unwählbar ist.