Medien Rechtsextremismus
Tickets für bis zu 85 Euro, Autogrammstunden, Merchandise-Stände: Was nach Fußball-Bundesliga oder einem Event mit bekannten Popstars klingt, ist genau das – und doch anders. Am vergangenen Wochenende fand in der Barclays Arena in Hamburg eines der wichtigsten E-Sport-Turniere der Welt statt: „The Internationals 2025“. Tausende Zuschauende verfolgten live vor Ort das Turnier der weltweit besten Spieler*innen des Echtzeit-Strategiespiels Dota 2. Etliche Fans schauten den Partien online zu.
Das Spiel ist für seine E-Sport-Tauglichkeit bekannt – und auch für seine in Teilen „toxische“ Community. Ähnlich wie beim Online-Strategiespiel „League of Legends“ (LoL) berichten Spielende von Anfeindungen, Hassnachrichten und extremen Botschaften, die in Sprach- oder Text-Chats kursieren. Der Betreiber geht mittlerweile mit einem „Social Score“ dagegen vor. Spieler*innen können einander bewerten und sollen darüber zu einem freundlicheren Verhalten motiviert werden. Die Community begrüßt diesen Vorstoß, denn sie will „ihr“ Spiel möglichst frei von Hass halten.
Die Dota 2-Community ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie ist, wie es bei so vielen anderen Communitys um Videospiele der Fall ist, ein lebendiger Sozialraum, der Kreativität, Kooperation und Vielfalt ermöglicht. Gaming-Communitys pauschal zu verteufeln wäre ebenso falsch wie gefährlich. Dennoch gibt es auch rote Linien, die einfach nicht überquert werden dürfen.
Gaming boomt – auch ohne Konzerne
Videospiele sind ein Milliardengeschäft – online oder offline, für mehrere Spieler*innen oder Solo. Millionen Menschen, darunter immer auch Kinder und Jugendliche, finden in Videospielen ein Hobby oder einen Zeitvertreib. Laut aktuellen Zahlen spielen rund 54 Prozent aller Deutschen zumindest gelegentlich Computer- und Videospiele. Bei den 16- bis 29-Jährigen spielen sogar 89 Prozent. Und das Hobby wird immer zugänglicher. Ein guter Computer oder eine Konsole sind nicht mehr zwingend notwendig: 22,9 Millionen Menschen nutzen Spiele-Apps auf ihrem Smartphone.
Seit einigen Jahren freuen sich sogenannte Indie-Spiele (vom englischen „independent“, dts. „unabhängig“) immer größerer Beliebtheit. Sie werden ohne große Entwicklerstudios oder Herausgeber entwickelt und vertrieben. Spiele kleiner Entwicklerteams oder auch Einzelpersonen erreichen schnell Tausende Menschen, wenn sie eine bestimmte Nische bedienen – oder Gaming-Influencer*innen sie beim Marketing unterstützen.
Das fällt auch den Menschen ins Auge, für die die Spiele an sich erstmal nebensächlich sind. Menschen, die eine bestimmte Zielgruppe mit ihren Botschaften erreichen wollen – versteckt oder offensichtlich.
Explizit rechtsextreme Games sind die Ausnahme
Diese enorme Reichweite macht Videospiele und die verschiedenen Gaming-Subkulturen auch für Rechtsextreme attraktiv. Bereits in den 1980er-Jahren gab es erste Spiele mit rechtsextremer Propaganda. Diese Videospiele hießen zum Beispiel „Anti-Türken-Test“, „Hitler Diktator“ und „Clean Germany“ – und landeten ganz schnell auf dem Index, der Liste der verbotenen Videospiele. Damals war es noch schwieriger, ein entsprechendes Produkt auf den Markt zu bringen, weil es einen professionellen Vertrieb brauchte, um wirklich populär zu werden. Heute können Entwickler*innen Spiele ohne Prüfung auf Internetplattformen veröffentlichen und verkaufen.
Das deutsche Indie-Spiel „Heimat Defender: Rebellion“ und das international vertriebene „Ethnic Cleansing“ zeigen, dass Rechtsextreme weiterhin versuchen, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene außerhalb ihrer bestehenden Gruppen zu erreichen. Diese Spiele mit extremen Inhalten sind allerdings nur ein Randphänomen. Entscheidender ist die Verschiebung des Diskurses in den Bereichen, die an das Hobby Gaming angrenzen: Spielplattformen wie itch.io, private und öffentliche Chat-Räume wie Teamspeak und Discord oder Livechats auf Streaming-Plattformen wie Twitch oder Kick. Dort zirkulieren Codes, Memes und Verschwörungsmythen, oft verpackt als „schwarzer“ oder „edgy“ Humor.
Wo Rechtsextremismus im Gaming auftritt
Rechtsextreme Gruppen sind dort zwar nur eine Minderheit. Sie nutzen die Reichweite populärer Communitys geschickt für:
- Normalisierung
- Radikalisierung
- und Rekrutierung.
Zwischen Trolling und offener Hetze entstehen Untergruppen, in denen Hasssprache schwer auf Gegenwehr trifft und juristische Grenzen kaum durchsetzbar sind.
Besonders anfällig sind Plattformen, in denen Nutzende Inhalte selbst gestalten und ohne externe Prüfung hochladen können. Solche Inhalte könnten sein:
- Mods: Vom englischen „Modifications“, dts. Modifikation oder Änderung. So werden zusätzliche, von Fans entwickelte Erweiterungen oder Inhaltspakete für Spiele genannt.
- Skins: Vom englischen „Skin“, dts. „Haut“. Der Begriff bezeichnet kosmetische Veränderungen am Spielcharakter, die durch den Fortschritt im Spiel oder gegen Geld (echtes Geld oder Ingame-Währung) freigeschaltet werden können. Besonders beliebt sind solche Skins bei Fortnite, Minecraft und Roblox.
- Server: Die technische Instanz, auf der ein Online-Multiplayer-Spiel läuft. Bei großen Spielen wie Dota 2, Overwatch und LoL liegen diese Server bei den Spieleentwicklern oder Herausgebern. Andere Spiele, wie z.B. auch Minecraft, lassen das Erstellen von eigenen Servern zu.
Hier werden Hakenkreuze, NS-Parolen oder „Great-Replacement“-Anspielungen schnell zum vermeintlichen Gag – und bleiben oft unwidersprochen stehen.
Welche Themen werden in Games zur Radikalisierung genutzt?
Die heutige Gaming-Szene ist bei weitem keine homogene Masse von Menschen. In den 1980er- bis frühen 2000er-Jahren galten Videospieler als weiß, cismännlich und heterosexuell. Die Spiele und ihre Communitys haben sich mittlerweile stark verändert und diversifiziert. Games sind lange kein reines „Jungs-Hobby“ mehr. Die am häufigsten vorkommenden Einstellungen, die Hass, Hetze und Radikalisierung hervorrufen, lassen sich aber mit diesem Entstehungshintergrund erklären.
- Misogynie und Antifeminismus: Frauenhass, Incel-Narrative und „Die Frau gehört an den Herd“-Aussagen bekommen nicht nur weiblich gelesene Gamer in Sprach- und Textchats zu hören. Sie sind oft tief verwurzelt in den Geschichten, dem Aufbau und den Logiken, nach denen Spiele funktionieren. Sie orientieren sich an althergebrachten Stereotypen und sexistischen Einstellungen, die bis heute existieren und in Games reproduziert werden.
- Rassismus und „white supremacy“: Rassismus kommt in Games vor allem dann vor, wenn „das Böse“ mit rassistischen Klischees dargestellt wird. Beispiele dafür sind die zahlreichen Actionspiele, die sich im Nahen Osten abspielen. Rassismus und diffamierende Stereotype finden sich aber nicht nur in den Spielen, sondern sogar noch sichtbarer in den Gaming-Communitys selbst. Das spiegelt sich zum Beispiel bereits in der Wahl von Accountnamen oder Pseudonymen (Gamer-Tag, Nickname) wieder. Etliche Profile sind nach rechtsextremen Attentätern benannt, enthalten rechtsextreme Codes und Losungen im Titel oder rassistische Symbole im Profilbild. In vielen Spielechats sind Wortfilter eingestellt, die verbotene Begriffe unkenntlich machen oder löschen. Deswegen wird versucht, solche Filter mit abgewandelten Schreibweisen zu umgehen.
- Ableismus: Der weiße, männliche, starke Held steht im Vordergrund und rettet die Welt – nach diesem Muster funktionieren immer noch viele Games. Menschen mit körperlichen oder seelischen Behinderungen kommen sehr selten vor. Oftmals treten Menschen mit Behinderungen nur in der Spiel-Geschichte auf, wenn sie als Last, wertlos oder verrückt dargestellt werden können. Diese sehr einseitige Darstellung ist ableistisch – der Bösewicht muss nicht immer ein vom Schicksal gebeutelter Mensch mit einem psychischen Gesundheitsproblem sein.
- Antisemitismus: Jüdisches Leben und Antisemitismus als problematisches Verhalten kommt in Games kaum vor. Das fällt besonders bei Spielen auf, die den Zweiten Weltkrieg als Setting wählen. Der Holocaust wird zwar in einigen Spielen zu Teilen abgebildet, aber selten explizit thematisiert. So bewegen sich Spieler*innen in „Call of Duty World War II“ durch ein Vernichtungslager, ohne dabei die systematische Vernichtung jüdischen Lebens zu erfahren. Ein Gegenbeispiel ist die „Wolfenstein“-Reihe, in welcher sich ein jüdischer Protagonist gegen das antisemitische Vernichtungsstreben der Nazis wehrt.
- Islamophobie und Muslimfeindlichkeit: Gerade First-Person-Shooter (FPS-Games) aus den frühen 2000ern hatten immer einen Gegner: vermeintliche Islamisten und Muslime. Im Nachhall der Anschläge des 11. Septembers 2001 entstanden eine ganze Reihe populärer Games, die ein sehr eindimensionales Bild des Islam und Muslimen zeichneten. Dieser Trend hält bis heute an. Was als schädliches Stereotyp anfing, entwickelt sich heute immer öfter zu explizitem Hass.
- Militarismus: Kriegsschauplätze und kriegerische Ereignisse sind willkommene Szenarien, um einem Spiel eine Geschichte oder einen Rahmen zu geben. Selbst einfache Strategie-Simulationen kommen nicht ohne Krieg und Kampf aus, wenn sie wie beispielsweise Civilization einen historischen Bezug haben. Problematisch wird Krieg in Games, wenn er unhinterfragt bleibt und als einziger Weg zum Ziel erscheint. Auch die Heroisierung von Spielfiguren und militaristischen Motiven wird kritisch gesehen.
Mehr Informationen zu Rechtsextremismus im Gaming findest Du hier:
- Broschüre „Gaming und Rechtsextremismus“ der Amadeo Antonio Störung in Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung
- Schriftensammlung „Handbuch Gaming & Rechtsextremismus Voraussetzungen | Einstellungen | Prozesse | Auswege“ der Bundeszentrale für Politische Bildung
Was tun bei rechtsextremen oder radikalen Inhalten?
Am besten wendest Du Dich im ersten Schritt an den Plattform-Betreiber. Plattformen wie Steam, GoG oder Epic überprüfen Inhalte mit scharfen Richtlinien. Bei tausenden neuen Inhalten täglich übersehen sie jedoch manches. Eigentlich alle Plattformen bieten eine Möglichkeit an, Inhalte unter Angabe eines Grundes zu melden. Das Gleiche gilt für Personen, die entsprechend hetzerisch oder propagandistisch auftreten. Auch sie kannst Du beim Betreiber des Spiels melden.
Ansonsten gilt, wie bei solchen Situationen in Offline-Diskursen auch: Hass und Hetze nicht unwidersprochen lassen! Wehre Dich gegen Anfeindungen und lasse Antisemitismus, Misogynie und Rassismus nicht einfach stehen. Widerspruch hilft, sich der Normalisierung von Haltungen und Ansichten entgegenzustellen.
Ob im Parlament, auf der Straße oder im Internet: Rechtsextremismus ist gefährlich und bedroht unsere Demokratie. Campact setzt sich entschlossen dagegen ein – mit Appellen, Demos und Aktionen im Netz.
Gemeinsam mit Campact fordern bereits über 350.000 Menschen die Prüfung eines AfD-Verbots. Mit einer cleveren Kampagne haben wir den rechtspopulistischen TV-Sender AUF1 lahmlegen können. Wir konnten mit viel Geduld ein Stiftungsgesetz erreichen, das der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, die staatliche Förderung verwehrt. Eine Petition auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, setzte sich dafür ein, dass Rechtsextreme keinen Zugang zum Bundestag erhalten. Und in Sachsen hat die AfD bei der Landtagswahl die nötigen Sitze für eine Sperrminorität verpasst. Schließe Dich jetzt über 4,25 Millionen Menschen an.
Zusätzliche Quellen
Aufsätze von Stürenburg, Mareike; Unterhuber, Tobias; Kracher, Veronika; Chang, Edmond; Ledder, Simon; Winkler, Constantin; Šisler, Vít; Spies, Thomas.
Alle in:
Bundeszentrale für Politische Bildung: „Handbuch Gaming & Rechtsextremismus Voraussetzungen | Einstellungen | Prozesse | Auswege“, erschienen am 14.07.2025; Bestellen oder kostenlos als Download.