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Denkt die EU beim „Digital Fairness Act“ ans Klima?

Der neue „Digital Fairness Act“ der EU soll Verbraucher*innen vor Manipulation im Netz schützen und Gefahren im Digitalen eingrenzen. Aber berücksichtigt die EU auch die Klimakrise in ihrem digitalen Paket?

Der zukünftige EU-Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit Michael McGrath bei den Confirmation Hearings 2024. Der geplante Digital Fairness Act liegt in seinen Händen.
Der zukünftige EU-Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit Michael McGrath bei den Confirmation Hearings 2024. Der geplante Digital Fairness Act liegt in seinen Händen. Foto: IMAGO / Le Pictorium

Während Talkshows, Podcasts und Kolumnen in dieser Woche fragen, was nun vom Weißen Haus in den USA zu erwarten ist, befragen die EU-Abgeordneten in Brüssel das neue Spitzenpersonal der EU-Kommission. Wer hier nicht besteht, kann theoretisch den vorgesehenen Kommissionsposten verlieren, auch wenn das als unwahrscheinlich gilt. Möglich sind auch Verschiebungen der anvertrauten Aufgaben. Am Dienstag, 5. November, befragten die EU-Abgeordneten den ehemaligen irischen Finanzminister und zukünftigen EU-Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit Michael McGrath. In seine Hände soll unter anderem der geplante „Digital Fairness Act“ (DFA) gelegt werden. An diesen neuen Regeln für fairen digitalen Verbraucherschutz wird bereits gearbeitet. Details sind noch unbekannt. Die Hoffnungen sind groß, genau wie das Potenzial für Enttäuschungen.

Digitaler Anstand gegenüber dem Klima?

Fairness bedeutet anständiges, regelkonformes und gerechtes Verhalten anderen gegenüber. Der „Digital Fairness Act“ soll für anständiges Verhalten zwischen Anbietern und Nutzenden sorgen, indem unfaire Geschäftspraktiken geregelt oder verboten werden. Das umfasst die Gestaltung von digitalen Angeboten, die darauf ausgelegt ist, Nutzende zu einer bestimmten Handlung zu verleiten oder die Gefahr von Suchtverhalten erhöht; das Design von Benutzeroberflächen und Preisen, aber auch Influencer-Marketing und Geschäftsbedingungen. Wo und wie konsequent McGrath hier zwischen fair und unfair rote Linien ziehen wird, bleibt abzuwarten.

Die entscheidende digital-klimapolitische Frage lautet: Wird der „Digital Fairness Act“ auch für anständiges Verhalten von Anbietern und Nutzenden gegenüber dem Planeten sorgen? Das ist dringend notwendig. Denn Verbraucherschutz soll Menschen vor Risiken schützen. Die Folgen der Klimakrise gehören zu den größten Risiken, denen Menschen jetzt und in Zukunft ausgesetzt sind.

Verbraucherschutz ist Klimaschutz

In ihrer Verbraucheragenda von 2020 hat die EU-Kommission diesen Zusammenhang bereits erkannt:

„Verbraucher*innen in Europa zeigen wachsendes Interesse daran, persönlich zur Verwirklichung der Klimaneutralität, zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen und der biologischen Vielfalt sowie zur Verringerung der Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzung beizutragen. Die Herausforderung besteht darin, dieses Potenzial durch Maßnahmen zu erschließen, die es jedem Verbraucher ermöglichen, unabhängig von seiner finanziellen Situation eine aktive Rolle beim grünen Wandel zu spielen, ohne einen bestimmten aufgezwungenen Lebensstil und ohne soziale Diskriminierung. Der Zugang zu nachhaltigen Produkten sollte nicht vom Einkommensniveau oder vom Wohnort abhängen, sondern allen offenstehen.

Verbraucherschutz ist Klimaschutz. Das muss auch für digitale Produkte und Dienstleistungen gelten. Denn mit dem „Green Deal“ verspricht die alte und neue Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Das kann nur gelingen, wenn dafür gesorgt wird, dass Digitalisierung für und nicht gegen den Planeten arbeitet. Das Versprechen der Klimaneutralität verpflichtet die Kommission dazu, Antworten auf den ständig zunehmenden Energie- und Ressourcenhunger der Digitalisierung zu finden.

Zeit für eine Digitalisierungs-Klimawende

Digitalisierung ist, was Menschen mit Computern und Daten tun. Aktuell sagen Studien, dass Digitalisierung zur Klimakrise beiträgt. In ihrem Mission Letter an Michael McGrath formuliert von der Leyen:

„Ich möchte, dass Sie sich auf die Auswirkungen und Möglichkeiten der digitalen Technologien auf die Verbraucher und unser Rechtssystem konzentrieren. Sie werden ein Gesetz zur digitalen Fairness entwickeln, um gegen unethische Techniken und Geschäftspraktiken vorzugehen.

Sind digitale Produkte und Geschäftsmodelle, die nicht an Umweltauswirkungen denken, unethisch und schädlich für Verbraucher*innen? McGrath verspricht:

„Ich werde mit unserer Verbraucherpolitik einen fairen Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft fördern, Wirtschaftswachstum mit sozialem Zusammenhalt verbinden, die Verbraucher schützen und stärken und eine große Auswahl an nachhaltigen Produkten anbieten, die auch für die Schwächsten erschwinglich sind.

Klimafaire Digitalisierung nur in der Nische

Ökologisch nachhaltige digitale Produkte bekommen die Menschen in der EU nach wie vor kaum angeboten. Umweltbewusste Nutzer*innen profitieren nur punktuell von den Angeboten idealistischer Innovationstreiber wie Ökostrom-E-Mail-Anbietern, fairen Hardware-Herstellern und ressourcenfreundlichen Reparaturdienstleistern. Allerdings kosten diese ethischen Kauf- und Nutzungsentscheidungen die Nutzer*innen mehr Zeit, Nerven und Geld als der schnelle Klick in die digitalen Regale der Digitalkonzerne.

Im Arbeitsprogramm der Kommission heißt es: „Wir haben uns zu mutigen Maßnahmen verpflichtet, um der erste klimaneutrale Kontinent zu werden und die natürliche Umwelt Europas zu bewahren, um den Weg für einen auf den Menschen ausgerichteten und innovativen digitalen Wandel zu ebnen (…).“ Es liegt an McGrath, mit dem „Digital Fairness Act“ den versprochenen Mut in Realität zu verwandeln. Dafür muss er sich die idealistischen Innovationstreiber und die Zivilgesellschaft an den Tisch holen und die Rolle der milliardenschweren Tech-Großkonzerne, wie etwa Microsoft, in der Klimakrise äußerst kritisch hinterfragen.

Was tun bei digitalem Überkonsum?

Als Vorbereitung auf den „Digital Fairness Act“ hat die EU-Kommission im Oktober einen „Fitness Check“ bestehender EU-Gesetze veröffentlicht. Der soll klären, wo Lücken im Verbraucherschutz bestehen und welche Potenziale vorhanden sind.

Als Hindernis von digitaler Fairness identifiziert der Check unter anderem „umweltschädliche Online-Praktiken, die etwa zu Überkonsum anregen oder nachhaltiges Nutzen verhindern (…).“ Wichtig sei, dass „Verbraucher informierte Kaufentscheidungen treffen können und so zu nachhaltigerm Konsumverhalten beitragen können (…).“

Mit Verweis auf die beiden UN-Nachhaltigkeitsziele nachhaltiger Konsum und Klimaschutz schlägt die Evaluierung vor: „Anbieter sollten klare und verlässliche Informationen bereitstellen und sich nicht auf unfaire, irreführende oder aggressive Praktiken einlassen, die Überkonsum fördern oder nachhaltigen Konsum behindern.“ Als Beispiele genannt werden Dark Patterns, süchtig machende Designs und bestimmte Formen personalisierter Werbung, die nachhaltige Entscheidungen verhindern oder erschweren. Ein Problem der aktuellen EU-Gesetze sei, dass sie die Zusammenhänge zwischen Digitalisierung und Klimatransformation nicht berücksichtigen.

Großes Problem sucht engagierte Lösungen

Die Folgen der Klimakrise sind für alle Menschen ein riesiges Problem. Die Lösungsansätze der Digitalpolitik sind jedoch gering bis nicht vorhanden. Der „Fitness Check“ erkennt beispielsweise den zunehmenden Einsatz von sogenannter künstlicher Intelligenz an, der vor kurzem durch den „AI Act“ reguliert wurde, aber benennt nicht die Hindernisse für einen klimafreundlichen Einsatz dieser Technologie.

Der „Digital Fairness Act“ hat auch das Potenzial, personalisiertes Tracking und Targeting aus einer klimagerechten Verbraucherschutz-Perspektive anzugehen, genau wie problematische Praktiken beim Influencer-Marketing. „Müllfluencing“ heizt Überkonsum an, schränkt die Wahlfreiheit ein und verwandelt das Internet in eine riesige Abfallfabrik. Wenn der „Digital Fairness Act“ auch gerecht gegenüber Klima und Planet werden soll, braucht es die Ideen von klima- und digitalpolitisch engagierten Menschen. Je früher im Prozess, desto besser! Was denkt ihr? Beteiligt euch an der Diskussion, zum Beispiel auf Mastodon: #DFA #DigitalFairnessAct

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Autor*innen

Friedemann Ebelt engagiert sich für digitale Grundrechte. Im Campact-Blog schreibt er darüber, wie Digitalisierung fair, frei und nachhaltig gelingen kann. Er hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und interessiert sich für alles, was zwischen Politik, Technik, und Gesellschaft passiert. Sein vorläufiges Fazit: Wir müssen uns besser digitalisieren! Alle Beiträge

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