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Eine Welle des bunten und entschlossenen Protestes geht durch Deutschland. Landesweit demonstrierten in den letzten Wochen unzählige Menschen #ZusammengegenRechts. Ausgelöst wurden die Demonstrationen durch Berichte über die Massenvertreibungspläne von Rechtsradikalen.

„Alle zusammen gegen den Faschismus!“, rufen die Menschen auf den Demonstrationen. Man braucht keine Glaskugel, sondern nur etwas Wissen in Geschichte, um zu wissen: Das Recht auf Protest ist eines der ersten Rechte, das faschistische politische Systeme abschaffen. Deshalb verteidigen wir, wenn wir für unsere vielfältige Gesellschaft, für Rechtsstaat und Demokratie auf die Straße gehen, zugleich unser Recht auf eben diese Versammlungen.

„Jeder Mensch hat das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken“, heißt es in Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Von Fridays for Future über Black Lives Matter: Die letzten Jahre haben kraftvolle Protestbewegungen in aller Welt gesehen.

Lena Rohrbach ist Fachreferentin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter und Rüstungsexportkontrolle bei Amnesty International Deutschland.

Versammlungsfreiheit – bald keine Freiheit mehr?

Doch das Recht auf Versammlungsfreiheit ist weltweit unter Druck. Selbst in Deutschland zeigt sich das an der Kriminalisierung von friedlichem Protest, an unnötigen Schmerzgriffen durch die Polizei und pauschalen Versammlungsverboten. In Bayern wurden im Oktober sogar 27 Klimaschützer*innen inhaftiert, ohne, dass ihnen etwas vorgeworfen worden wäre. Mit der „Präventivhaft“ (eigentlich zur Verhinderung schwerster Gewaltverbrechen gedacht) sollte möglicher Protest gegen die Internationale Automobil-Ausstellung verhindert werden. Verschiedene Bundesländer haben Versammlungsgesetze erlassen, die das Recht auf Protest unverhältnismäßig stark einschränken. In Nordrhein-Westfalen etwa sind nun Versammlungen auf Autobahnen pauschal verboten. Straßen werden damit stärker „geschützt“ als der Landtag oder sogar NS-Gedenkstätten.

Auch neue Technologien bedrohen die Versammlungsfreiheit. Weltweit überwachen immer mehr Kameras, oft mit Gesichtserkennungstechnologie, wer demonstriert.

„Früher war das Risiko vor allem, bei einer Demonstration verprügelt oder festgenommen zu werden.“

So erzählt es die russische Menschenrechtlerin Natalia Zviagina. „Nun kann man sich nicht mal mehr sicher fühlen, wenn das nicht passiert ist – der Staat weiß, wer du bist und kann jederzeit zuschlagen. Wir wiederholen unsere Forderung, die Identifikation durch Gesichtserkennungstechnologien zu verbieten. Die Verfolgung von friedlichem Protest durch die Behörden hat in Russland durch sie eine ganz neue Dimension erreicht.“ Auch während der Proteste in Hong Kong versuchten die Menschen, ihre Gesichter zu vermummen, damit Kameras sie nicht identifizieren konnten.

Neue Technologie setzt Protestierende unter Druck

Im Iran hilft sogar deutsche Technologie von Bosch, Frauen ohne Schleier und Protestierende an die Sicherheitsbehörden auszuliefern. Die Technologie hilft dort bei der brutalen Niederschlagung der Protestbewegung, bei der im Jahr 2022 rund 22.000 Demonstrierende willkürlich inhaftiert, viele gefoltert, vergewaltigt und hingerichtet wurden. In selbem Jahr inhaftierte die Polizei Kasachstans rund 10.000 friedliche Protestant*innen, Hunderte wurden getötet. Dieser Text ließe sich mit unzähligen weiteren Beispielen füllen: Von 156 untersuchten Ländern musste Amnesty International in mindesten 86 Ländern unrechtmäßige Gewalt gegen Protestierende feststellen. In 37 Ländern wurden tödliche Waffen eingesetzt, in 79 Ländern Protestierende willkürlich inhaftiert.

Protest ist ein Grundpfeiler einer lebendigen Demokratie. Er kann auf der Straße stattfinden, aber auch im Internet, laut sein oder vollkommen still. Er stößt notwendige Veränderungen an und ermöglicht uns, Unzufriedenheit, Entschlossenheit, Solidarität und Hoffnung auszudrücken. Individuelle Machtlosigkeit verwandelt sich durch Protest in gemeinsame Kraft. Das Recht auf Protest müssen wir deshalb alle gemeinsam verteidigen. Für die Menschen im Iran, in Kasachstan, in Russland, aber auch hier in Deutschland, und nicht zuletzt auch für uns selbst. Am besten durch Protest. Auf die Straße, fertig, los!

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Autor*innen

Lena Rohrbach ist Referentin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter und Rüstungsexportkontrolle bei Amnesty International. Sie hat als Campaignerin für Campact und im Journalismus gearbeitet und war Sprecherin der Piratenpartei. Lena hat Philosophie, Kulturwissenschaft und Geschichte in Berlin und International Human Rights Law an der University of Nottingham studiert. Im Campact-Blog schreibt sie als Gast-Autorin über Menschenrechte. Alle Beiträge

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