Ampel Demokratie Wahlen
Was hat die Ampel gebracht?
Chaos, Uneinigkeit und häufige Koalitionsstreitigkeiten – das wird vielen von der Ampelregierung in Erinnerung bleiben. Ja, sie hat viele Erwartungen enttäuscht. Aber sie hat auch gezeigt, dass es einen Unterschied macht, wer regiert. Vom Selbstbestimmungsgesetz bis zum Deutschlandticket – diese Fortschritte zeigen, was möglich ist.

Die wortwörtlichen "Köpfe" der Ampel-Koalition (von links) Christian Lindner (FDP), Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) als Pappmaché-Figuren bei einer Aktion im Jahr 2022 in Berlin. Foto: Paul Lovis Wagner / i.A.v. Campact
Die als progressives Vorzeigeprojekt gestartete Ampel-Regierung endete Anfang November 2024 mit einem großen Knall – einem Koalitionsbruch, den vor allem die FDP provozierte. So bleibt die letzte Regierung vielen in Erinnerung: als chaotischer Haufen, der sich nie einig wird und stets nur einen Minimalkonsens erreicht, der letztendlich niemanden gerecht wird.
Und dieses Bild trifft teilweise zu, wird der Arbeit der Ampel jedoch nicht gerecht. Der Koalitionstracker der Initiative FragDenStaat zeigt, dass die Ampel nur 18 Prozent ihrer Vorhaben nicht begonnen und nur 7 Prozent zurückgestellt hat. Die Mehrheit ihrer Vorhaben hat sie also umgesetzt oder zumindest begonnen. Betrachten wir also einige Ergebnisse der Rot-Grün-Gelben Koalition im Detail: The good, the bad and the ugly.
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🟢 Fortschritte, die zählen
Zwischen ihrem Koalitionsstart im Herbst 2021 und jetzt hat die Ampel so einige Vorhaben vorangebracht, die sie in der Bialnz für sich verbuchen kann. Eine Auswahl der wichtigsten:
Deutschlandticket
Die Ampel hat das anfangs sehr bezahlbare Deutschlandticket im Sommer 2022 als 9-Euro-Ticket eingeführt. Damit hat die Koalition Millionen Bürger*innen Zugang zu einem erschwinglichen Nahverkehr ermöglicht und öffentliche Verkehrsmittel gestärkt. Das Deutschlandticket gibt es immer noch – wenn auch mittlerweile deutlich teurer. So ein erster Vorstoß hat aber klar gezeigt: Die Bevölkerung möchte günstigen, zuverlässigen Nahverkehr.
Ausbau regenerativer Energien
Die Ampel-Regierung hat die Energiewende deutlich beschleunigt. Insbesondere der Ausbau der Solarenergie kam gut voran. Bei der Windenergie ging es zwar nicht ganz so schnell, aber die Rahmenbedingungen für einen zügigen Zubau von Windkraftanlagen haben sich stark verbessert; ebenso wichtige Energiewende-Infrastrukturen wie etwa Strom- und Wasserstoffnetze.
Neues Artenhilfsprogramm
Das neue Artenschutzprogramm der Ampelkoalition steht in direktem Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn durch die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes wurde die Erstellung und Umsetzung nationaler Artenhilfsprogramme in das Gesetz aufgenommen. Diese sollen Arten, welche durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien betroffen sind, einschließlich ihrer Lebensstätten dauerhaft schützen. Durch die Artenhilfsprogramme sollen die Bestände der Arten regional und deutschlandweit in einen besseren oder guten Erhaltungszustand gebracht werden. Dabei geht es sowohl um Arten auf dem Meer wie an Land.
Ampel-Parteien heben das Blutspendeverbot für queere Männer auf
Im März 2023 machten sich die kontinuierliche Arbeit von Verbänden und der Druck aus der Zivilgesellschaft bezahlt: Die Ampelkoalition änderte das Transfusionsgesetz. Dort wird nun ausdrücklich festgehalten, dass die sexuelle Orientierung bei der Entscheidung über einen möglichen Ausschluss nicht berücksichtigt werden darf.
Abschaffung des §219a und Verbot von Gehsteigbelästigung vor Abtreibungskliniken
Ein weiterer Durchbruch, der von der Zivilgesellschaft vorangetrieben wurde: die Abschaffung des Paragraph 219a im Strafrecht, des sogenannten „Werbeverbots für Abtreibungen“. Als „Werbung“ im Sinne des Gesetzes galten bis dahin schon ausführliche Informationen über verschiedene Methoden des Schwangerschaftsabbruchs sowie die damit verbundenen Risiken. Seit Juli 2022 dürfen Ärztinnen und Ärzte öffentlich darüber informieren, ob und wie sie Abtreibungen durchführen. Schwangere sollen so einfacher als bisher Ärzte für eine Abtreibung finden können.
Seit November 2024 schützt ein weiteres Gesetz (ungewollt) Schwangere: das Gesetz zum Verbot von Gehsteigbelästigungen. Anlass für die Gesetzesänderung war, dass es vor Beratungsstellen immer wieder Aktionen von Abtreibungsgegner*innen gibt, bei denen sie direkt auf Schwangere einwirken. Änderungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) stellen solche Belästigungen und Bedrängungen vor, um und in Praxen und Kliniken nun unter Strafe.
Selbstbestimmungsgesetz
Die Ampel hat das Transsexuellengesetz abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt. Jeder Mensch ab 14 Jahren kann nun selbst frei darüber entscheiden, den eigenen Geschlechtseintrag und seinen Vornamen diskriminierungsfrei mit einem Amtsgang ändern zu können. Das Gesetz traf auf einigen Widerspruch – vor allem von Seiten der AfD und der Union. Mit den kombinierten Stimmen der Ampel-Parteien sowie der Gruppe die Linke konnte das Gesetz aber dennoch verabschiedet werden. Ein großer Fortschritt für die progressive Gesellschaft!
EU-Wahl ab 16 Jahren
Eine weitere Neuerung, die gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD eingeführt wurde: 2024 durften erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren bei der EU-Wahl mitwählen. Die Ampel hatte dafür 2022 das entsprechende Wahlalter herabgesetzt. Die Begründung: Das bisherige Mindestwahlalter schließe Menschen vom Wahlrecht zum Europaparlament aus, „die an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“.
Gerade die junge Generation wird durch Fragen betroffen sein, die aktuell Gegenstand demokratischer Entscheidungsprozesse sind. Gleichzeitig wird der Anteil der Älteren in der Gesellschaft größer, die Verteilung ändert sich also zum Nachteil der Jugendlichen. Wenn nun auch Jüngere mitwählen dürfen, wird diese ungleiche Verteilung etwas ausgeglichen – und demokratische Prozesse auf EU-Ebene gerechter.
🔴 Aua, bitte nochmal neu anfangen
Keine Koalition ist perfekt, und manchmal müssen auch Kompromisse in Debatten gefunden werden. Einige Themen ziehen die Ampel in ihrer Bilanz aber deutlich runter. Bei diesen Angelegenheiten gingen die politischen Entscheidungen ziemlich daneben:
Aufweichen des Klimaschutzgesetzes
Im Mai 2021 entschied das Bundesverfassungsgericht: Das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung ist verfassungswidrig. Die Große Koalition schärfte daraufhin überraschend schnell ihr Klimaschutzgesetz nach. Genau dieses Klimaschutzgesetz erweiterte die Ampel-Regierung um einen sogenannten Solarpakt, der das Aufstellen und Betreiben von Solaranlagen vereinfachen und entbürokratisieren sollte (gut!). Gleichzeitig weichte sie aber auch die CO₂-Vorgaben auf, welche schwarz-rote Regierung 2019 eingeführt hatte (schlecht).
Diese Vorgaben sehen vor, dass in einzelnen Bereichen wie Verkehr, Gebäude, Energie oder Industrie der CO₂-Ausstoß um bestimmte Mengen gesenkt werden muss. Wurden die Ziele nicht erreicht, musste nachgesteuert werden. Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes werden die Emissionen der verschiedenen Bereiche künftig untereinander verrechnet. Diese Aufweichung war ein Geschenk an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (ehemals FDP, derzeit parteilos), der sich nicht um eine Senkung des CO₂-Ausstoßes im Verkehr bemühte.
Verteuerung des Deutschlandtickets
Auch hier hat sich die FDP „erfolgreich“ durchgesetzt: Der Preis für das erfolgreiche Deutschlandticket wurde nach und nach angehoben, erst auf 49, dann auf 58 Euro. Erschwinglich ist etwas anderes. Vielen Menschen wurde dadurch der Zugang zu einem bezahlbaren Nahverkehr wieder weggenommen. Ein Rückschritt in Sachen persönlicher Mobilität. Mehr Menschen greifen nach der Verteuerung wieder aufs Auto zurück, obwohl sie gerne den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen würden.
Öl- und Gasbohrungen in Nord- und Ostsee
„Wir wollen keine neuen Genehmigungen für Öl- und Gasbohrungen jenseits der erteilten Rahmenbetriebserlaubnisse für die deutsche Nord- und Ostsee erteilen“, hieß es im Koalitionsvertrag der Ampel. Dieses Vorhaben hat die Koalition nicht nur zurückgestellt. Stattdessen hat sie sogar explizit befürwortet, neue Gasfelder anzubohren, unter anderem vor Borkum. Eine Bestärkung fossiler Energien, statt weiter Klima und Landschaft zu schützen.
Keine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts
Auch die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts hat die Ampel-Regierung in ihrer Amtszeit zurückgestellt, obwohl sie explizit Teil des Koalitionsvertrages war. Drei Jahre haben die Regierungsparteien über Details diskutiert – die Fortschritte dieses politischen Prozesses landen jetzt in der Mülltonne.
Die Reform hätte bewirkt, dass auch beispielsweise Sportvereine sich klar politisch positionieren dürfen, ohne direkt Angst haben zu müssen, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Unter einer von der Union geführten Regierung wird eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechtes zukünftig nur schwieriger. Campact setzt sich bereits seit Jahren für die Reform ein. Unterstütze auch Du hier mit über 400.000 weiteren Menschen den Appell.
➡️ Hier sollte die nächste Regierung dranbleiben
Es gibt auch Themen, welche die Ampel nicht ganz in ihre Bilanz aufnehmen kann – aber immerhin angestoßen hat. Eine zukünftige Regierung sollte hier unbedingt dranbleiben.
Deckel für Parteispenden
Gerade jetzt im Wahlkampf wird es wieder ersichtlich: Lobbygruppen, Über-Reiche und einflussreiche Interessengruppen nehmen viel zu viel Einfluss auf Parteien. Das ist weder demokratisch, noch rechtmäßig. Eine Änderung des Parteiengesetzes im November 2023 hat bereits mehr Transparenz bei Parteisponsoring und bei Parteispenden begünstigt, sowie digitale Parteitage ermöglicht. Der aktuelle Wahlkampf zeigt: Das reicht nicht aus.
Auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, kannst Du Dich bereits jetzt für einen verpflichtenden Deckel für Parteispenden einsetzen.
Abschaffung von §218 im StGB
Im Juni 2022 strich der Bundestag mit breiter Mehrheit den Paragraf 219a aus dem Strafgesetzbuch. Paragraf 218 hätte der nächste Schritt sein sollen. Dieser Paragraf regelt die Durchführbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen – also als Straftatbestand. Solange Abtreibungen als Straftat geführt werden, werden die Frauen, die sich für eine solche entscheiden, stigmatisiert, kriminalisiert und unter Generalverdacht gestellt. Ein Großteil der Frauen spricht daher nicht über ihren Abbruch. Andere tun es und werden deswegen beleidigt oder bedroht. Und auch Ärzt*innen sind diesen Stigmatisierungen ausgesetzt.
80 Prozent sagen: Weg mit §218!
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Unterschriftenübergabe am 10. Februar in Berlin: Mehr als 190.000 Unterschriften für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung.
Konservative Politiker wie Friedrich Merz (CDU) behaupteten zuletzt, das Thema polarisiere das Land. Aber das ist faktisch einfach falsch: Laut einer Umfrage ist eine große Mehrheit für eine Legalisierung. Die Forderung danach wird immer lauter und doch ist die Reform in dieser Legislatur gescheitert.
Mehr und sozialerer Wohnungsbau
Die Ampel hatte sich vorgenommen, „jährlich 400.000 neue und klimaschonendere Wohnungen“ bauen zu wollen. Mit diesem Vorhaben sind sie nur zum Teil vorangekommen, haben aber gute Vorschläge formuliert. An diesen Ideen sollte die kommende Regierung unbedingt dranbleiben. Die Wohnungsnot in Deutschland wird immer größer. Auch ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn kann helfen. Dort gibt es viele gute Ansätze, um Wohnungsnot zu begegnen.
Campact setzt sich als zivilgesellschaftliche Organisation weiter für eine soziale und gerechte Gesellschaft und lebenswerte Umwelt ein. Über 3,5 Millionen Menschen treten bereits mit Campact entschlossen für progressive Politik ein und verteidigen unsere Demokratie. Wenn wichtige politische Entscheidungen anstehen, starten wir Kampagnen – digital und auf der Straße. Wir schmieden breite Bündnisse und mobilisieren eine starke Bewegung für die gemeinsame Sache.